Bei der Süddeutschen Zeitung kann man online folgenden Bericht finden:

Ermittlungen zum Isarmord: Psychisch Kranke sollen zum Gentest

Vorab ein Hinweis: Mord ist ein grausames Verbrechen und ich bin auch der Meinung das Täter gefunden und bestraft werden sollen. Die Frage die sich mir dabei stellt: Wo sind die Grenzen?

„Seit mehreren Tagen suchen die Ermittler in München Männer im passenden Alter mit einer psychiatrischen Krankengeschichte auf, um sie um eine freiwillige Speichelprobe zu bitten.“

Als erstes stellt sich mir da die Frage: Woher wissen die Ermittlungsbehörden welche Menschen eine „psychiatrische Krankengeschichte“ haben? Die Antwort findet sich hier:

„Um möglichst viele Personen zu erreichen, haben sich Polizei und Staatsanwalt München telefonisch und schriftlich an eine Reihe von Einrichtungen gewandt, in denen psychisch kranke Menschen betreut werden, und um die „Mitteilung der Personendaten der männlichen Bewohner“ gebeten.“

Ist das wirklich Rechtens? Und wer definiert bitte welche psychische Erkrankung zu einem Mord führen kann? Und hat nicht jeder Mensch das Recht darauf das seine Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben? Für mich zählt auch dazu, dass die Krankheiten und Behinderungen nur dann weitergetragen werden wenn man selbst dem zugestimmt hat. Man kennt das Ganze auch unter dem Begriff der ärtzlichen Schweigepflicht. Die scheint in den Augen der Staatsanwaltschaft hier aber nicht zu greifen.

„Doch in diesem Fall hält die Staatsanwaltschaft es für legitim, das Schweigen zu brechen: „Angesichts des Tatvorwurfs Mord ist die erbetene Auskunft verhältnismäßig und zulässig. Es besteht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben anderer Personen“, heißt es in dem Schreiben der Behörde.“

Natürlich ist ein Mord eine unsagbar grausame und schlimme Tat. Aber rechtfertigt nun jeder Mord der in Deutschland begangen wird eine Umgehung der ärztlichen Schweigepflicht?

Vielleicht bringt folgende Aussage etwas Licht in die Sache:

„Bei den Ermittlungen zum Mord an der Isar geht die Polizei jetzt auch intensiv dem Verdacht nach, dass der Täter psychisch gestört sein könnte.“

Kennzeichen von Mord ist immer der Vorsatz. Jemand bringt also sehr bewusst und vor allem geplant einen anderen Menschen um. Ich möchte hier nun keine Diskussion lostreten, aber ist die Planung und die Fähigkeit zur Durchführung einer solchen Tat nicht immer eine Abweichung von der „normalen“ Psyche? Ist ein Mensch der so etwas begeht nicht immer psychisch auf die eine oder andere Weise gestört? Normal ist das in meinen Augen zumindest nicht.

„Überprüft werden auch Personen mit psychischen Störungen, die in der Vergangenheit ein auffälliges, tendenziell aggressives Verhalten gezeigt haben. Dazu gehört auch das Anspucken von Fremden. Schließlich hatte der Täter vor dem Mord der Freundin seines Opfers ohne Grund ins Gesicht gespuckt.“

Nun wird’s brenzlig: Ins Fahndungsraster fallen (in diesem Fall) also alle Männer in einem gewissen Alter die eine psychische Störung haben. Kommt noch ein, von außen empfundenes auffälliges oder sogar aggressives Verhalten dazu ist man schon verdächtig. Ist man dann noch wegen Anspuckens anderer Menschen bekannt wird’s eng.

Zugegeben jemanden anzuspucken ist eckelhaft und sicher kein Umgang. Aber deshalb verdächtig werden?

Ich gehe mit den folgenden Zeilen sicher auf eine Gradwanderung. Zum einen möchte ich natürlich niemanden auf komische Ideen bringen, zum anderen zeigt dass aber sicher auf wie gefährlich das Ganze sein kann:

Autismus wird, von den Meisten (auch Ärzten) als psychische Krankheit gesehen. Autisten können auch, in bestimmten Situationen und aus in diesem Blog schon dargelegten Gründen, aggressives Verhalten an den Tag legen. Dass Autisten sich, in den Augen anderer, auffällig verhalten ist nun auch kein Geheimnis. Damit hätten wir eigentlich schon zwei Gründe warum Autisten in diesem Mordfall verdächtig sein können. Wenn ein Autist sich dann noch, um körperliche Attacken zu vermeiden und eigentlich niemandem zu schaden, unter Umständen mit Spucken zur Wehr setzt wenn er sich bedrängt fühlt wäre der Mustertäter schon fast komplett.

Natürlich suchen die Ermittlungsbehörden nun nicht konkret nach Autisten, aber ich denke es wird klar: Man bleibt schnell in einem solchen Raster hängen.

Wenn man das alles zusammenfasst entsteht ein reichlich seltsames Bild:

Es geschieht ein Mord. Die Ermittlungsbehörden kommen auf den Gedanken dass ein Mörder psychisch gestört sein könnte. Also stellt man nun jeden der ein psychisches Krankheitsbild aufweist unter Verdacht. Genauer gesagt: Man bittet diese Personen als  „Zeugen“ um eine „freiwillige“ Speichelprobe. Die ja nicht wirklich freiwillig ist. Mir kann nämlich keiner erzählen, dass die Personen die sich weigern eine solche abzugeben sich damit nicht, wenn vielleicht auch nur unterschwellig, noch zusätzlich verdächtig machen.

Was bleibt ist der unschöne Nachgeschmack: Bist Du psychisch krank? Damit bist Du eben auch ein potentieller Verdächtiger in einem Mordfall. Denn eines ist klar: psychisch normal sind Mörder nun mal nicht.

Mir macht so eine Entwicklung Angst. Ich stehe dazu Autist zu sein. Wer garantiert mir, dass nicht irgendwann die örtliche Polizei bei mir vor der Tür steht? Ich zumindest möchte weder für die Tatsache Autist zu sein noch das ich darüber schreibe in einem Raster hängen bleiben das mich in Verdacht bringt eine  Straftat begangen zu haben.

Ich habe mir sogar kurz überlegt ob ich diesen Blogpost überhaupt schreiben sollte. Nicht das ich alleine deswegen schon als auffällig registriert werde. Denn langsam frage ich mich: Wo sind die Grenzen?