Wer mich etwas kennt weiß, dass ich zumindest versuche all das zu verstehen was mir auf den ersten Blick unlogisch erscheint oder was ich mir nicht erklären kann. Man könnte auch sagen: Ich versuche die Welt um mich herum und was in ihr geschieht zu verstehen. Heute widme ich meine Zeit der Frage: Warum wird Autismus sinnfremd in der deutschen Sprache verwendet? Ist das ein Fall von Diskriminierung von behinderten Menschen  und wenn ja: Wieso macht keiner etwas dagegen?

Was ist Diskriminierung?

Diskriminierung ist ein großes Wort. Es ist auch etwas dem ich mich mit sehr viel Respekt nähere. Immerhin handelt es sich um einen scharfen Vorwurf und um einen Vorgang der die Menschenrechte und –würde angreift. Um aber zu verstehen warum die sinnfremde und falsche Verwendung von Autismus oder autistisch diskriminierend empfunden werden kann muss man sich auch darüber im Klaren sein, was Diskriminierung bedeutet.

Der Duden gibt da folgendes her:

Diskriminierung steht, im Wortursprung, für „Unterscheiden“ So gesehen und erst einmal nichts Negatives. Wenn man diskriminiert unterscheidet man. In der heutigen Wortbedeutung und -verwendung jedoch wurde diese Unterscheidung leider negativ belegt.  Ein Aspekt der später in diesem Blogpost noch einmal auftauchen wird.

Schaut man sich die Synonyme für Diskriminierung an findet man, vorgeschlagen vom Duden u.a. folgende Worte:

Benachteiligung, Demütigung, Entwürdigung, Erniedrigung, Verächtlichmachung, Beleidigung und Diffamierung

Das zeigt doch klar: Diskriminierung ist in der heutigen Zeit definitiv negativ belegt. Und eben weil das so ist, gibt es zahlreiche Gesetze in und für unsere Gesellschaft die eben dies verhindern sollen.

Ich möchte hier nur zwei Artikel aus dem Grundgesetz nennen:

Artikel 1 Absatz 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Artikel 3 Absatz 3: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Was das alles mit Autismus und der sprachlichen Verwendung zu tun hat? Dazu komme ich sofort.

Über die sprachliche Verwendung von Autismus

Es gibt, im Großen und Ganzen, für mich zwei unterschiedliche Arten der Verwendung von Autismus in der Sprache. Zum einen: Es geht um das Thema Autismus. Hier ist es vollkommen legitim und auch notwendig das Kind beim Namen zu nennen. Das alleine sagt natürlich nichts über die Qualität des Gesagten oder Geschriebenen aus. Aber das ist auch ein anderes Thema.

Zum anderen wird Autismus bzw. autistisch gerne in völlig fachfremdem Zusammenhang verwendet. Schaut man sich dann genauer die Intention des Urhebers an, stellt man fest: In den meisten Fällen ist die mitschwingende Intention eine negative. Kaum einer lobt jemand anderen wenn er ihn als autistisch bezeichnet. Im Gegenteil, man kritisiert eine vermeintliche Schwachstelle bzw. ein Defizit damit.  Oftmals geht dies sogar so weit, dass die angesprochene bzw. gemeinte Person, Organisation oder Gruppe gezielt mit der Betitelung autistisch zu sein diskreditiert wird oder werden soll. Wo liegt hier nun die Ursache? Ich denke, analog zum Wort Diskriminierung, wurde die Wortbedeutung in der deutschen Sprache weg vom eigentlichen Sinn hin zu einer grundnegativen Intention und Interpretation verändert. Schlimmer noch: Autismus ist eine Behinderung und diese werden in der Gesellschaft leider Allzugerne als „Defizit und Mangel“ angesehen. Und genau das überträgt sich leider auch auf die Wortverwendung. Dies mag nun aus Unwissen oder sehr bewusst geschehen. Einen Unterschied in der Wirkung macht dies jedoch nicht.

Schauen wir nun einmal zurück zum Anfang dieses Blogposts: Diskriminierung ist im allgemeinen Sprachgebrauch und –Verständnis eine Demütigung, Beleidigung, Erniedrigung usw.  Autismus bzw. autistisch wird in der Sprache nun Allzugerne negativ besetzt verwendet. Eben um einen anderen Menschen zu demütigen, diskreditieren, beleidigen oder in seiner Person zu erniedrigen. Unmittelbar eben dadurch das man ihm ein Defizit anheftet.

Würde man eine Aussage: „Politiker XYZ ist in seiner autistischen Wirklichkeit entfernt vom Realismus der Wirklichkeit“ sicher nicht als Diskriminierung empfinden muss man jedoch weiter schauen. Es entsteht, gerade durch solche öffentlichen Aussagen und Wortverwendungen ein negatives Bild von Autismus und Autisten in der Gesellschaft. Autismus in der Sprache negativ belegt => Autismus als Behinderung negativ belegt => Benachteiligung von Autisten wenn es um die Inklusion in die Gesellschaft und die alltägliche Teilhabe am Leben geht. Wer stellt schon einen Autisten ein, wenn er ein grundnegatives Bild von Autismus hat? Wer traut einem Autisten überhaupt eine Leistung zu, wenn das Denken dahinter komplett defizitär geprägt ist? Ich warte z.B. immer noch auf den ersten Politiker der offen sagt: Ich bin Autist! Oder die erste Partei die offen einen Autisten für eine Wahl an vorderster Front aufstellt und hinter ihm steht.

Mangelndes Unrechtempfinden?

Was ich im Moment in der Gesellschaft vermisse, ist ein gesundes Unrechtempfinden. Schreibt oder spricht heute noch jemand von Krüppeln wenn es um körperbehinderte Menschen geht? Neger wird als Wort ebenfalls schon aus dem Wortschatz gestrichen weil es als diskriminierend empfunden wird. Es gibt genug Beispiele von denen Menschen mittlerweile die Nackenhaare zu Berge stehen (unverbesserliche Ausnahmen wird es immer geben!) wenn sie etwas hören oder lesen was offensichtlich diskriminierend ist. Beim Wort Autismus oder autistisch ist das nicht so. Man nimmt es hin, denkt sich seinen, oftmals negativen, Teil und gut ist es. Es ist, vielleicht eben auch durch die stetige Verwendung in Medien und Politik, normal dass jemand als autistisch bezeichnet wird. Autismus als Behinderung hingegen wird nicht wahrgenommen. Und damit auch nicht, dass eine Betitelung als autistisch im negativen Zusammenhang, für Autisten schmerzhaft und beleidigend ist. Wer möchte schon gerne  für eine Beleidigung herhalten? Und schon gar nicht wenn er doch gar nichts dafür kann das er so ist wie er ist.

Wie wäre es mit Flotz?

Letztendlich ist Autismus, in der Sinn- und fachfremden Verwendung, nichts anderes als ein Füllwort. Neudeutsch gesagt: Buzzword. Man sagt es, es klingt toll, und solange jeder weiß welche Intention da mitschwingt erfüllt es sogar seinen Zweck. Man spart sich nämlich zum einen die Suche nach einem passenden Wort für das was man ausdrücken möchte und zum anderen drückt man sich elegant um die Verantwortung für das Gesagte herum. So wie jeder weiß was man meint kann man sich auf der anderen Seite immer fein damit herausreden das ja ganz anders, oder sogar positiv, gemeint zu haben. Man greift an ohne angreifbar zu werden. Und das kann es nicht sein. Der Kollateralschaden, auf Seiten der Autisten, wird geflissentlich hingenommen, ignoriert oder gar nicht erst wahrgenommen. Traurig.

Mein Vorschlag daher: Wenn Autismus nur ein Füllwort ist: Nehmt Flotz!

Betitelt andere Menschen oder deren Handeln als flotzig oder flotzistisch! Ihr findet etwas doof? Dann ist es eben flotz! Und überhaupt: Sexueller Flotzismus ist das tollste auf der Welt! Nicht zu vergessen die flotzistische Gesellschaft in ihrem, natürlich ganz verflotzen, und schon an Flotzismus grenzenden Handeln und Denken!

Lächerlich? Vielleicht. Aber nicht mehr als die Verwendung von Autismus in diesem Zusammenhang auch! Nur das die wenigsten „sexuellen Autismus“ als lächerlich erkennen würden. Und die autistische Gesellschaft ist auch schon fast so normal wie autistische Politiker und deren an Autismus grenzendes Verhalten!

In diesem Sinne: Seid ruhig flotzig aber lasst den Autismus bitte außen vor!