…..und nicht das lernte was er wollte.

Als Referent der über Autismus weiterbildet ist es mir ein persönliches Anliegen, dass auch ich mich bei Themen auf die ich angesprochen werde immer auf dem aktuellen Stand bleibe. Sicher weiß ich als Autist schon sehr viel über Autismus, aber es gibt eben auch Teilbereiche in denen ich mehr wissen möchte. So auch im Bereich TEACCH.

Letzte Woche war es wieder einmal soweit: Ich habe ein zweitägiges Seminar zum Thema TEACCH besucht. Was habe ich gelernt? Eine ganze Menge die in meinen Seminaren nicht vorkommen wird. Es gab viele Punkte die man kritisieren konnte und die hier nicht hingehören. Eines möchte ich meinen Kunden aber auf jeden Fall versprechen:

Sollte sich ein Teilnehmer verspäten werde ich ihn definitiv nicht damit bloßstellen, dass er nun einen Kuchen zu backen hat. Das ist in meinen Augen unhöflich und auch nicht lustig.

Was soll ich zum Seminar sagen? Ich habe in 2 Tagen weniger gelernt als in einem vorhergehenden TEACCH Seminar das nur einen Tag dauerte und in dem es nur in der Hälfte der Zeit um TEACCH ging. Wenn ein Dozent TEACCH erklären möchte ist es nicht wirklich schön, wenn am Ende des Seminares wesentlich Kernteile fehlen und nur noch auf zwei Seiten im kopierten Skript stehen.

Bei TEACCH geht es um die Struktur und die Strukturierung im Leben von Autisten. Das -kurz gefasst- auf drei Ebenen: Räumlich, Zeitlich und Handlungsbezogen. Wie weit kamen wir in den zwei Tagen bzw. am zweiten Tag zur Mittagspause? Zur räumlichen Struktur. Zwei Tage sind, laut mehrfacher Aussage der Dozentin, eben sehr wenig Zeit für das Thema. Als Teilnehmer empfinde ich das als „Pech gehabt“.

Fachlich gesehen habe ich also wenig bis gar nichts gelernt. Menschlich jedoch viel. Und was soll ich sagen? Es schmerzt, es tut weh und ist kaum auszuhalten was über Autisten gedacht wird. Von Fachleuten wohlgemerkt. Und da mache es keinen Unterschied ob Dozentin, Kinder und Jugendpsychologinnen oder Menschen die mit Autisten arbeiten.

Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll, in den zwei Tagen ist mir so viel passiert dass ich das jetzt noch kaum sortieren kann.

Die autistische Wahrnehmung wurde mit einem Filmausschnitt eines Films von Autismus München (nun Autismus Oberbayern) dargestellt. Der Film ist augenscheinlich sehr alte und hatte die Qualität und das Niveau der 80er Jahre. Das hier ein Autist gezeigt aber ein erwachsener Mann den Text aus Sicht des Autisten spricht ist noch das kleinste Problem. Unter anderem wurde, in Bezug auf die autistische Wahrnehmung und die Filterschwäche, das Wort „fehlerhaft“ verwendet. Ich frage mich schon beim ersten Seminar bei dieser Dozentin wieso die Wahrnehmung bei der weniger wegfällt weil weniger gefiltert wird fehlerhaft ist. Meine Kritik wurde aber damals schon nicht verstanden. Als Autist kann ich sagen: Es ist unerträglich wenn man versucht in Anwesenheit eines Autisten mit uraltem Material die autistische Wahrnehmung zu erklären.

Weiter ging es mit einer Reportage des WDR „Planet Schule“ zum Thema Autismus. Hier wurden Nicole S., Frederik und Julia (?) als Fälle vorgestellt. Ich bin offen: Ich bin genervt von der Sendung. Nicole S. die nach mehreren Büchern über Autismus ihre Diagnose zurückgegeben hat, Frederik im Dauer-Klugscheißer-Modus (ja auch Autisten kann das nerven) und eine Mutter die Ihre „schwer autistische“ Tochter nicht wirklich versteht. Auf Twitter würde ich sagen: Meh 🙁

Das erste Mal so richtig sauer wurde ich als es um das Thema Autismus und Geistige Behinderung ging. Die Psychologinnen behaupteten doch glatt: Kannerautisten sind kognitiv eingeschränkt. Ich protestierte und wies darauf hin, dass eine geistige Behinderung eine gesonderte und vom Autismus unabhängige Behinderung sei. Als Antwort kam: Das sind ja dann auch hochfunktionale Autisten. Falsch: Hochfunktional ist keine gesonderte Diagnose sondern eine funktionale Einteilung bei frühkindlichen Autisten. Man verwies mich dann auf den ICD 10 in dem steht, dass Aspergerautisten keine kognitiven Entwicklungsverzögerungen hätten. Alles klar im Hause Autismus?

Weiter ging es, nach einer Gruppenarbeit, mit der Besprechung selbiger. Was kam zu Wort? Die Frage ob Diäten bei Autisten sinnvoll sind. O-Ton Dozentin: Kasein und Glutenunverträglichkeiten kommen bei Autisten verstärkt vor. Ich wies auf eine neue Studie hin, geantwortet wurde mir mit der langjährigen Erfahrung in einer Elterngruppe. Auch hier: Kritik? Nein Danke!

Gruppenaufgabe war es eine Situation zu beschreiben in der man meint dass man Autisten durch eine neue räumliche Struktur helfen kann. Und wie diese Maßnahmen aussehen könnten.

Den Vogel schoss eine Gruppe ab:

Autistin, 9 Jahre, lebt mit den Eltern in einem Einfamilienhaus. Die Familie hat viele Tiere. Das

Ablauf am Morgen: Tochter steht wegen Schlafproblemen sehr früh auf ( vor 5), geht hinunter und versorgt eigenständig die Tiere.

Problem: Die Tochter bringt den Schulranzen nicht runter.

Frage 1 von den Psychologinnen: Sie kann in die Schule gehen? Sie versorgt die Tiere ordentlich? Dann WILL sie wohl einfach nicht den Ranzen nach unten bringen. Lösung wäre es eine Motivation zu schaffen. Ihr riecht es sicher schon? Jawohl: Belohnungssystem!

Mein Kommentar: Es sei bei Autisten ein großer Fehler von dem „Können“ einiger Dinge auf das „Können müssen“ anderer Dinge zu schließen.

Frage/Vorschlag 2: Da sie ja die Tiere so toll versorgt und das ihr Spaß macht: Das solle zum Motivator werden. Also: Sie darf die Tiere nur versorgen wenn sie vorher den ranzen runterbringt.

Ich wurde sauer: Das sei schließlich eine Bestrafung.

Antwort Dozentin: Ausbleibende Belohnungen sind eben eine Bestrafung. Das sei so, man müsse das positiv verkaufen.

Antwort Psychologin: So funktioniert Verhaltenstherapie eben.

Ich antwortete dann nur noch: Da ist es nicht mehr Weit zu ABA und Co.

Es ging eine Weile hin und her. Ich wurde innerlich immer wütender und platzte dann nochmal hervor: Wenn man das so machen würde, würde man der Autisten eine Routine nehmen. Etwas Alltägliches aber wichtiges zu einer „Belohnung“ machen die eine Bestrafung sei. Und ob sie denn meinten, dass das Wegnehmen dieser Routine hilfreich sei. Und das man eigentlich gelernt haben sollte, dass Routinen für Autisten wichtig sind und man ihnen diese STRUKTUR (worum es in TEACCH ja geht) nicht wegnehmen darf!

Gelernt haben sie nichts. Gar nichts. Belohnungssystem schlägt eben alles.

Es fielen vorher und nachher noch Stichworte wie „Fixierung“, „gerichtlicher Beschluss“ und solche Argumentationsketten wie: Spricht nicht => kommuniziert nicht (!) => kognitive Fähigkeiten nicht vorhanden.

Dazu passt eine von der Dozentin häufiger gemachte Aussage:

„Wir müssen überlegen wie wir Autisten dazu bringen das zu tun was sie sollen

Soviel zum Weltbild der Dozentin (Sonderschul-Pädagogin) und einiger Teilnehmer.

Auch kam die Frage ob daran geforscht wird, den Grund für die Reizüberflutung (also die Reizfilterschwäche) abstellen zu können. Setzen 6: Autismus nicht verstanden.

Das ist nur ein ganz kleiner Einblick in das was ich die zwei Tage erleben und ertragen musste. Auf einer Fachweiterbildung zum Thema TEACCH. Einer Weiterbildung in der sehr viele Menschen saßen die von sich behaupteten nicht viel über Autismus zu wissen. Oder doch sehr viel. Einer Fachweiterbildung bei der die Dozentin als Koryphäe gilt und deswegen Menschen zu ihr geschickt werden. Eine Dozentin die, nach eigener Aussage, sehr gerne ABA Seminare gegeben hat und gerne wieder geben würde und die sich als Mitglied des Institutes für Autismusforschung bezeichnet.

Teilnehmer die sehr gute Wertungsnoten gegeben haben….weil sie nicht wissen dass es auch Besser geht. Woher sollen sie es auch wissen? Gegen solche Dozenten mit 20 Jahren Berufserfahrung mit Autisten hat man als autistischer Dozent eben keine Chance.

Noch nie war ein Paradigmenwechsel so notwendig wie heute.