Wenn man mit dem Thema Autismus konfrontiert wird, dauert es in der Regel nicht lange, bis der Begriff Therapie auftaucht. Und genauso wie bei der Suche nach Gründen für Autismus schießen hier auch zahlreiche Angebote und Ideologien aus dem Boden die einem Autisten aus dem Haare raufen nicht rauskommen lassen. Das große Problem ist: Eltern sind erst einmal gehörig mit der Thematik überfordert. Sie wünschen sich ein normales Leben mit und für ihr Kind. Da klingen Therapieangebote die einem empfohlen werden natürlich erst einmal erfolgversprechend und sind schon fast der Rettungsring aus einer, von den Eltern oftmals als ausweglos empfundenen, Situation. Und wie es mit Rettungsringen und Notsituationen so ist: Man greift zu und ist froh das einem geholfen wird. Welchen Preis der Autist dafür bezahlen muss bleibt oft verborgen und wird, gerade ob den Erfolgen der Therapien, nicht gesehen. Nachfolgend möchte ich einen kleinen Einblick gewähren und aus Sicht des Autisten einmal aufzeigen warum so manch gut klingende Therapie evtl. nicht der goldene Weg ist.

Mach es oder bleib autistisch

Ich kann an dieser Stelle nicht auf jede Therapie eingehen, aber ich denke man kann sie grob in drei Kategorien einteilen.

Zum einen gibt es eine ganze Reihe an Therapien, deren Durchführung sehr viel Geld kostet und die, wenn man sich das genauer anschaut, Wunder versprechen. Ich könnte auch schreiben: Je mehr sie kosten um so eher wird Autismus geheilt. In Amerika findet man diese Therapieformen immer häufiger. Da gibt es schon einmal Therapien deren Name mit einem Markenrecht versehen ist und in deren Geschichte von einem autistischen Kind erzählt wird, dass einmal einen IQ-Wert von unter 30 hatte und nach der von den Eltern entwickelten Therapie eine Elite-Universität besuchen konnte, nun als hochintelligent gilt und das Institut zur Verbreitung dieser Therapie selbst leitet. Verstehen Sie mich nicht falsch: Es kann durchaus sein, dass solche Therapien Elemente enthalten, die einem Autisten helfen können. Aber Wunder vollbringen kann keine dieser Therapien. Und spätestens wenn dann der Name noch rechtlich geschützt wird und die Therapie sehr teuer ist, muss man sich fragen worum es hier geht: Darum Autisten zu helfen oder verzweifelten Eltern sehr viel Geld aus der Tasche zu ziehen. Natürlich müssen Therapeuten von Ihrer Arbeit leben. Das sollen sie auch. Mir kann allerdings niemand plausibel erklären, warum Seminare für Eltern mehrere Tausend oder gar Zehntausend Euro kosten sollen.

Dann gibt es einen mittlerweile sehr populären Therapieansatz. Man bringt den Autisten – auf unterschiedlichen Wegen – bei, wie sie sich in der Gesellschaft zu verhalten haben und wie man sich als normaler Mensch in der Gesellschaft bewegt. Ein Vertreter dieser Kategorie und Ausprägung ist sicher die Applied Behavior Analysis kurz ABA. Ich werde auf diese Form der Therapie im nächsten Text genauer eingehen. Vorab kurz gesagt: ABA ist unter Autisten sehr umstritten weil es eine  betrachtet man die Bedürfnisse eines Autisten, sehr eingreifende und einschneidende Therapie ist. Sie verbiegt den Autisten zu einem möglichst unauffälligen und normgerechten Menschen. Erfolge sieht man hier sicher sehr schnell, wie es dem Autisten dabei geht wird erst einmal nicht betrachtet oder es werden die Wünsche der Angehörigen auf den Autisten projiziert. Er findet sich in der Gesellschaft zurecht? Ziel erreicht!

Zu Guter Letzt gibt es noch Therapieformen die einen anderen Ansatz haben. Sie legen Wert auf eine für den Autisten möglichst angepasste und angenehme Umgebung und versuchen in dieser dem Autisten Hilfestellungen zu vermitteln. Auch hier wird versucht den Autisten auf die Gesellschaft und die Welt da draußen vorzubereiten, aber eben nicht über den Effekt der Konditionierung wie bei ABA sondern mit Hilfe einer für den Autisten angenehmen Umgebung. Therapien mit diesem Ansatz stehen im krassen Gegensatz zu ABA und den konditionierenden Formen.

Wenn die Therapie falsch abbiegt

Wenn ich mir die angebotenen Therapieformen so anschaue, stoße ich immer wieder auf den Aspekt: Der Autist soll sich gesellschaftskonform verhalten und verhalten können. Die Frage ist: Ist das wünschenswert? Ein nicht auffälliger, angepasster und normgerechter Autist? Viele würden nun sicher sagen: Ja! Ihm wird das Leben leichter fallen und er hat überhaupt eine Chance am alltäglichen Leben teilnehmen zu können. Was man dabei aber leider schnell vergisst: Damit ein Autist sich gesellschaftskonform verhalten kann muss er seine eigenen Bedürfnisse unterdrücken. Das kostet Energie und laugt aus. Dazu kommt: Wer sich als Autist annähernd normal verhält, dem wird kein Mensch mehr das Recht zusprechen, aufgrund seines Autismus Hilfestellungen von außen zu bekommen. Oder kurz gesagt: Du? Bist doch niemals ein Autist!

Mit der Hoffnung auf ein normales Leben für ihre Kinder werden jedoch viele Eltern in Therapien gelockt. Und hier wird sehr viel Geld gemacht. Geld das man, betrachtet man sich die  Bedürfnisse von Autisten, manchmal sicher viel besser in das Verständnis von Autismus und eine autistengerechte Lebensumgebung investieren sollte.

Wohin des Weges?

Ich möchte aber nicht nur schimpfen und anprangern. Das wäre einfach nicht meine Art. Ich habe mir lange überlegt, wie man das Ziel einem Autisten die Teilhabe am Alltag und Leben zu erleichtern mit dem Umstand verbinden kann, dass der Autist sich möglichst wenig verbiegen muss und Autist bleiben darf. Das ist eine Aufgabe die nicht leicht zu lösen ist.

Um zu verstehen wie ich auf meinen Ansatz gekommen bin, muss ich etwas ausholen.

Ich schreibe über Autismus unter anderem um Nichtautisten die autistische Welt, so wie ich sie sehe, zu beschreiben und zu erklären. Ich biete meine Sichtweise an damit es anderen leichter fällt zu verstehen was Autismus bedeutet und bedeuten kann. Letztendlich haben Autisten, betrachtet man das nun umgekehrt, genau das gleiche Problem: Sie verstehen die nichtautistische Welt nicht. Ich denke hier sollte eine, sofern man sie überhaupt so nennen sollte, Therapie ansetzen. Autisten erklären wieso die Gesellschaft so ist wie sie ist, was erwartet wird und warum das so ist. Setzt hier ein Verständnis ein wird es dem Autisten auch erheblich leichter fallen gewisse Regeln und Umgangsformen anzunehmen. Wichtig ist mir das Verständnis. Es stellt nämlich einen erheblichen Unterschied dar, ob man einem Autisten nur Regeln aufzeigt und ihn zur Einhaltung derselben auffordert, oder ob man ihm erklärt wieso das so ist. Dazu kommt: Vieles erklärt sich aus der anderen Wahrnehmung heraus. Nur weiß ein Mensch, egal ob autistisch oder nicht, nicht, dass seine Wahrnehmung von der der anderen Menschen abweicht. Versucht man jedoch diese andere Wahrnehmung zu erklären wird sicher vieles im Leben eines Autisten leichter.

Was möchte ich nun damit ausdrücken? Ich halte es für sehr sinnvoll einem Autisten das Leben im Alltag zu erleichtern. Man sollte dies nur über einen Lernprozess ermöglichen damit der Autist auch versteht warum er sich anders verhalten soll. Ein Prozess der unter Umstände länger dauert, aber letztendlich einen nachhaltigeren Effekt haben wird. Und, das ist mir persönlich das wichtigste an diesem Lernprozess, der Autist wird sich weit weniger verbiegen und gegen sich und seine Bedürfnisse arbeiten und damit auch wesentlich zufriedener sein. Daher meine Bitte an alle Eltern und Therapeuten: Erklärt Autisten die nichtautistische Welt! Lasst Ihnen Zeit sie zu verstehen. Helft ihnen dabei sich in der Gesellschaft zurecht zu finden. Aber eben nicht mit vorgegebenen Verhaltensweisen oder Regeln, lasst sie lernen! Ihr werdet sehen: Es lohnt sich!