Zweieinhalb Jahre hat es nun gedauert, bis ich wieder in der Lage bin erste Zeilen zum Thema Informationswissenschaften zu schreiben. Eine krankheitsbedingte Auszeit die ich mir, ungünstiger weise mitten im Abschluss meines Masterstudiums, nehmen musste. Zweieinhalb Jahre in denen ich einerseits gezwungen war mich und mein Leben neu kennenzulernen. Andererseits aber auch ein Zeitraum der mich aus einer intensiven Beschäftigung mit der Thematik der Informationskompetenz herausgeholt und auf Abstand gebracht hat. Eine Chance gewisse Dinge und Sichtweisen zu überprüfen und  zu schauen wie ich heute dazu stehe und ob ich dazu stehen kann.

Ich möchte nichts vorwegnehmen, aber leicht ist mir dies nicht gefallen. Was folgt ist eine höchst persönliche Sicht auf die Informationswissenschaften die sicher nicht jeder Leser teilen kann und auch teilen wird. Aber vielleicht regen diese Zeilen, ganz nach dem Motto dieses Blogs, zum Nach- und Querdenken an.

Zwischen den Fronten

Zum Wintersemester 1999 begann ich an der Hochschule Darmstadt mein Studium des Informations- und Wissensmanagements. Mit zunehmendem Studium, und einem absolvierten Praxissemester, bekam ich zumindest folgenden Eindruck:  Kaum einer konnte etwas mit dem Studiengang und den Studieninhalten anfangen. Den einen musste man erst mal erklären was man denn da studiert. Und nicht selten fiel die Aussage: Ah Informatik!

Den anderen, bevorzugt Absolventen bestimmter Studiengänge, gegenüber musste man sich rechtfertigen. Seine Existenz, die Notwendigkeit seines Studiums und warum man überhaupt etwas studierte was andere doch nebenbei erledigen können. Die Informatiker glaubten „das bisschen Theorie“ locker mitmachen zu können und die Wirtschaftler waren sich sicher: „Informationen suchen? Machen wir doch nebenbei!“ Es folgten später die Bibliothekare die uns immer ein wenig belächelten. Schließlich war das was wir da studierten kein vollwertiges Bibliothekenstudium.

So gesehen ist es also wenig verwunderlich, dass viele meiner Kommilitonen entweder in Richtung Programmierung oder in den eher BWL orientierten Bereich gegangen sind.

Kurz und vielleicht etwas hart ausgedrückt: Damals wie heute haben es die Informationswissenschaften schwer sich zu platzieren. Dafür sind wir einfach von anderen Fachrichtungen zu sehr bedrängt. Dies zum externen Stand der Informationswissenschaften.

Grabenkämpfe, Berufsbezeichnungen und was hinten runter fällt

Wie sieht es intern aus? Etwas das mir, und ich bezeichne mich aus vollem Herzen und mit ganzer Seele als „Infowissenschaftler“, bald noch mehr zu schaffen macht. Wie man sich Externen gegenüber verkauft ist das eine. Hier liegt es im persönlichen Geschick und der Überzeugungskraft der Absolventen sich einen Platz im Arbeitsleben zu suchen der sie glücklich macht. Was mir allerdings wirklich weh tut, ist die interne Sichtweise und das Bild das sich mir an vielen Orten immer wieder zeigt.

Um ein kleines Beispiel zu nennen:

Es werden Diskussionen darüber geführt ob man sich, als Mitglied der Branche, noch „Information Professional“ oder doch lieber schon „Information Manager“ nennen soll. Davon abgesehen, dass ich solche Diskussionen um „Berufsbezeichnungen“ eher belanglos finde, schmerzt mich eine ganz andere Tatsache:  Wie steht es um das Verhältnis zu unserem „Arbeitsmaterial“? Möchten wir professionell mit Informationen umgehen? Ihnen Leben geben, sie mit Sinn füllen und ihnen damit auch einen Wert geben? Oder möchten wir, um es mal überspitzt auszudrücken, Informationen managen und damit einfach nur verwalten?

Was ich mit diesem kleinen Beispiel zeigen möchte ist: Für viele ist die Frage nach der Berufsbezeichnung sicher nur die Frage die eben geklärt werden sollte. Für mich, und ich hoffe für viele andere auch, steckt aber eben auch die Haltung zum Beruf dahinter. Und zu den Informationen mit denen wir umgehen.

Eine Trennung die mir immer wieder begegnet. Die einen leben die Information, die anderen handeln mit ihnen.

Diese unterschiedlichen Strömungen sind mir bei einem weiteren kleinen Beispiel begegnet.

Wenn Praxis und Theorie nicht miteinander können

Ich bin, oder muss ich mittlerweile schreiben war(?), Mitglied in zwei Arbeitskreisen. Beide befassen sich mit dem Thema Informationskompetenz. Der eine im Ursprungsbereich Bildung, der andere mit dem Schwerpunkt Unternehmen. Als motivierter „Fast“Masterabsolvent der Informationswissenschaften war es für mich sehr spannend in beide Welten reinschnuppern zu können. Ich war voller Ideen und hatte auch eine Vision: Gemeinsam eine Grundlage schaffen auf der man aufbauen kann. Für meine Leser die sich nicht so mit den Informationswissenschaften auskennen folgender Hinweis: Gerade Informationskompetenz wird, beabsichtigt oder nicht, von jedem anders interpretiert und definiert. So war es mir eine Herzensangelegenheit zumindest anzuregen, dass man doch bitte aufgrund einer gemeinsamen Definition die Arbeit des Arbeitskreises aufbaut.

So unangenehm das nun ist: Damit schoss ich mich förmlich ins „akademische“ Abseits. Es war schlichtweg keine Aufgabe die man im Arbeitskreis mit dem Schwerpunkt Informationskompetenz in Unternehmen angehen wollte. Um es nett auszudrücken: Als „Wissenschaftler“ war meine Sichtweise, aus Sicht der anderen Teilnehmer, wenig zu gebrauchen. Bleibt die Frage, und das schreibe ich ganz ohne Gram oder Wut, welche Ziele man in einem solchen Arbeitskreis verfolgt wenn schon die Arbeitsgrundlage, und damit was alle unter Informationskompetenz verstehen, fehlt. Mein persönlicher Eindruck war: Es ging darum sich, mittels des Schlagwortes Informationskompetenz, nach außen hin zu definieren und seine Arbeit zu verkaufen. Kann es das sein? Mir zumindest blutet das Herz.

Wenn die Theorie Veränderungen fürchtet

Letztendlich haben mich diese Ereignisse nur darin bestärkt etwas bewegen zu wollen. In meinem Masterarbeitsthema, es geht um die Konzeption eines neuen Kompetenzmodelles der Informationskompetenz, steckt viel Herzblut. Und auch die Hoffnung Defizite aufzeigen zu können. Oder anders gesagt: Manchmal muss man altbewährtes aus einem anderen Blickwinkel betrachten um es verbessern zu können.

Am Hauptthema dieses Blogs erkennt man sicher schnell das es sich beim Schreiber dieser Zeilen um einen Autisten handelt. Normalerweise würde ich dies im Zusammenhang mit den Informationswissenschaften gar nicht erwähnen. Warum mache ich es dennoch? Ein Kennzeichen von Autismus ist die andere Wahrnehmung. Autisten nehmen ihre Umwelt und auch Begebenheiten anders wahr. Ich bin sogar der festen Überzeugung, dass mir eben diese andere Wahrnehmung dabei hilft eine andere Sichtweise auf das Konstrukt und Gebilde Informationskompetenz zu haben. Und damit ist meine Herangehensweise sicher auch eine andere. Eine Bereicherung für die Informationswissenschaften?

Leider weniger. Was mir in diesem Zusammenhang begegnet ist, ist eine grundlegende Skepsis bzw. Misstrauen. Auf meine Anregung hin, dass man Informationskompetenz doch einmal überdenken sollte bekam ich folgendes, sinngemäß, zu hören:

„Was Sie da vorhaben (ein Modell der IK zu entwickeln), ja dafür braucht es ein wissenschaftliches Institut und mehrere wissenschaftliche Mitarbeiter. Ein Student kann das nicht leisten!“.

Kurz gesagt: Aufgrund meines Status als Student wird mir abgesprochen etwas, wissenschaftlich sinnvolles, zu erschaffen. Traurig!

Ähnlich erging es mir mit den renommierten Fachleuten zum Thema Informationskompetenz. Ich müsste ja kein anderes Modell erschaffen, wenn ich die bisherigen für perfekt halten würde. Demzufolge ist mein Ansatz natürlich eine Kritik an dem was bisher Bestand hat. Aber warum sieht man diese Kritik nicht als Chance? Ich hatte zumindest das Gefühl, dass meine Ideen eher als unangenehm empfunden wurden.

Quo Vadis, Informationswissenschaften?

Es bleibt die Frage: Wo gehst Du hin? Was wird aus Dir? Und werden wir zusammen einen gemeinsamen Weg haben, Informationswissenschaften?

Derzeit sehe ich eine Wissenschaft die von außen traktiert, von innen bedingt durch unterschiedliche Interessen zerrissen und von mangelndem Mut zur Veränderung und fehlender Weitsicht gelähmt wird.

Ich sehe auch einen kleinen Informationswissenschaftler der diese Entwicklung mit Trauer betrachtet, begleitet und in Zukunft schweren Herzens wohl einen anderen Weg gehen wird. Mit ganzem Herzen und Überzeugung aber dennoch eines bleiben wird: Ein Informationswissenschaftler!