Den ersten „Dialog“ führe ich mit Edith Vogt-Hörler. Den Ursprung hat dieser Dialog im Autismus Forum Schweiz. In der Reihe „Im Dialog mit“ geht es mir nicht darum etwas als Falsch oder Richtig zu deklarieren. Es geht um den Dialog und den Austausch von Sichtweisen und darum das verschiedene Facetten und Sichtweisen zusammenfinden und ein erweitertes Bild entsteht. Es bleibt dem Leser überlassen wie dieses Bild am Ende des Dialogs aussieht.

Nun aber zum ersten Dialog:

Edith Vogt-Hörler:

Neuropsychologische Aspekte der Autismus-Spektrum-Störung (ASS)

Es werden aktuell in der Wissenschaft drei wichtige neuropsychologische Theorien genannt, die Besonderheiten der autistischen Informationsverarbeitung erklären sollen: Theory of Mind, Theorie der zentralen Kohärenz und die Theorie der exekutiven Funktionen. Meist sind bei Menschen mit ASS Schwierigkeiten in mehr als einem dieser drei Bereiche zu beobachten. Da die Kenntnis der Theorien das Verständnis für die autistische Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsweise erhöht und den alltäglichen Umgang mit Menschen mit ASS erleichtert, werden sie an dieser Stelle genauer beleuchtet.

Theory of Mind
Mit dem Begriff „Theory of Mind“ ist die Fähigkeit gemeint, psychische Zustände (Gefühle und Gedanken) anderer Personen und sich selbst zuzuschreiben, also die Fähigkeit, die eigenen Gedanken, Gefühle, Wünsche, Absichten und Vorstellungen und diejenigen Anderer zu erkennen, zu verstehen und vorherzusagen (Remschmidt et al. 2006).
Das Wissen darüber, dass jede Person Gedanken und Gefühle hat und dass diese sich von denen anderer Personen unterscheiden können, bildet die Grundlage für das Verstehen sozialer Situationen (Colle et al. 2006). Die Fähigkeit zur Theory of Mind beginnt sich ca. im Alter von vier Jahren zu entwickeln und differenziert sich in der Folge immer weiter. Zuvor halten Menschen ihre Wahrnehmungen und Gedanken für die einzige Wahrheit. Sie funktionieren egozentrisch. Vorläufer der Theory of Mind in der menschlichen Entwicklung bilden die Fähigkeit zur Imitation, zur geteilten Aufmerksamkeit und zum symbolischen Spiel (cf. Roeyers und Warreyn, 2010).
Studien konnten zeigen, dass bei Menschen mit ASS Defizite in der Entwicklung der Theory of Mind bestehen. Während die mangelnde Theory of Mind bei Menschen mit schweren autistischen Störungen offensichtlich ist, können Menschen mit leichteren autistischen Störungen wie z.B. Asperger-Syndrom dieses Defizit in überschaubaren sozialen Situationen oft gut durch ihre Intelligenz kompensieren. Das Defizit fällt oft erst in realen komplexen sozialen Situationen mit mehreren Beteiligten auf. So werden beispielsweise nonverbale Hinweisreize (Prosodie, Mimik) nicht oder ungenügend beachtet. Ohne ausreichende Theory of Mind ist das Verhalten anderer Menschen weder verständlich noch voraussehbar. Unterschiedliche Studien konnten den Mangel Theory of Mind bei Menschen mit ASS auf hirnphysiologischer Ebene nachweisen. Eine Übersicht über die Arbeiten findet sich bei Jenny et. al. (2012).

Im Alltag zeigt sich der Mangel an Theory of Mind oft darin, dass Menschen mit ASS Doppelbödigkeiten nicht verstehen, da sie sich auf den Inhalt von Aussagen fokussieren ohne die Prosodie und/oder die Mimik in die Interpretation mit einzubeziehen. Daher haben sie z.B. im Verstehen von Witzen und Ironie Schwierigkeiten. Wenn sie Freundschaften suchen, geraten sie oft in Situationen, in denen sie ausgenutzt werden. Sie verstehen ungenügend, dass eine Freundschaft auf Gegenseitigkeit beruht und auf Vertrauen und Loyalität beiderseits baut.

Zentrale Kohärenz
Die zentrale Kohärenz ist die Fähigkeit, übergreifende (soziale) Muster und den gesamten Kontext zu erfassen (Happé et al., 2006). Neurotypische Menschen setzen Reize (Menschen, Objekte, Situationen, Gefühle) immer in Bezug zum jeweiligen Kontext. Bei Menschen mit ASS ist die Fähigkeit zur zentralen Kohärenz beeinträchtigt. Dagegen ist die Tendenz, Reize isoliert und kontextfrei zu verarbeiten stark. Es wird oft von einer ausgeprägten Detailwahrnehmung bei Menschen mit ASS gesprochen. Studien konnten zeigen, dass Menschen mit eine leichten Form einer ASS dazu in der Lage sind, ganzheitlich wahrzunehmen, wenn sie explizit dazu aufgefordert werden. Ohne entsprechende Anleitung konzentrieren sie sich jedoch auf Details. Beide Wahrnehmungsstile haben in bestimmten Situationen ihre Vor- bzw. Nachteile. Um komplexe soziale Situationen zu verstehen, ist eine ganzheitliche Wahrnehmung (central coherence) unabdingbar. Im Analysieren von Fehlern ist eine detailorientierte Wahrnehmung (local coherence) jedoch hilfreicher.

Diese Besonderheit zeigt sich im Alltag immer wieder in der Fähigkeit von Menschen mit ASS, sich in ein Spezialgebiet zu vertiefen und sich in diesem Bereich erstaunliches Wissen und Fertigkeiten anzueignen. Spezialgebiete können mannigfach sein und reichen von technischen Bereichen über Logistik (z. B. Schienenbelegungspläne der SBB) bis hin zu botanischem bzw. zoologischem Wissen. Es zeigen sich bei den bzgl. Alltäglichem oft vergesslichen Menschen mit ASS eindrückliche Gedächtnisleistungen bezogen auf ihr Spezialgebiet.

Exekutive Funktionen
Bei den exekutiven Funktionen geht es um die Fähigkeit zu planen und zielgerichtet zu handeln. Bei Menschen mit ASS sind diese Funktion beeinträchtigt. Ebenso finden sich beeinträchtigte exekutive Funktionen bei ADHS, Tourette-Syndrom oder Störungen des Sozialverhaltens (Pennington et al. 1996). Diesen Störungen gemeinsam ist eine mangelnde Hemmung von Reaktionen, die einer zielgerichteten Handlung abträglich sind. Menschen mit einer ASS reagieren bei Wut beispielsweise oft in der Tendenz impulsiv und aggressiv. Sie scheinen nicht in der Lage zu sein, alternative Verhaltensweisen in Betracht zu ziehen. Veränderungsängste, Spezialinteressen und fehlendes vorausschauendes Denken finden ihren Ursprung in mangelnden exekutiven Funktionen (Freitag, 2009).

Im Alltag zeigt sich diese Problematik sehr deutlich darin, dass Abläufe oft sehr mühsam und am besten mit visueller Unterstützung gelernt werden. Damit sind Kompetenzen wie ein WC-Gang gemeint, aber auch Stundenpläne in der Schule. Unerwartete Veränderungen von Personen oder Abfolgen in der Schule führen bei Menschen mit ASS zu starker Verunsicherung und in der Folge nicht selten zu aggressivem Verhalten.

Literatur:
Colle, L., Baron-Cohen, S., Hill, J. (2006). Do children with autism habe a theory of mind? A non-verbal test of Autism vs. Specific language impairment. Journal of Autism and Developmental Disorders, 37, 716-723

Freitag, C. (2009). Neuropsychologische Diagnostik bei autistischen Störungen. Kindheit und Entwicklung, 18 (2), 73-82

Happé, F., Frith, U. (2006). The Weak Coherence Account: Detail-focused Cognitive Style in Autism Spectrum Disorders. Journal of Autism and Developmental Disorders, 36 (1), 5-25

Jenny, B., Goetschel, Ph., Isenschmid, M., Steinhausen, H.-Ch. (2012). Kompass-Zürcher Kompetenztraining für Jugendlichen mit Autismus-Spektrum-Störungen. Stuttgart: Kohlhammer.

Pennington, P. F., Ozonoff, S. (1996). Executive Functions and Developmental Psychopathology. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 37 (1), 51-87

Remschmidt, H., Kamp-Becker, I. (2006). Asperger-Syndrom. Heidelberg: Springer.

Roeyers, H., Warreyn, P. (2010). Frühe soziale-kommunikative Beeinträchtigung bei Autismus-Spektrum-Störungen. In H.- Ch. Steinhausen, R. Gundelfinger (Hrsg.), Diagnose und Therapie von Autismus-Spektrum-Störungen. Grundlagen und Praxis (S. 44-80). Stuttgart: Kohlhammer.

 

Aleksander Knauerhase:

Zur Theory of Mind:

Ich gebe offen zu: Sie ist und war mir immer ein Rätsel. Einfach ausgedrückt: Wie soll ich bitte erraten was eine andere Person fühlt oder denkt? Ich bin nicht die andere Person. Ich habe weder ihre Lebenserfahrung noch weiß ich was diese Person geprägt hat. Letztendlich ist die Theory of Mind dann doch nichts anderes als ein munteres Ratespiel. Ob man richtig liegt oder nicht wird man nie erfahren.

„Mit dem Begriff „Theory of Mind“ ist die Fähigkeit gemeint, psychische Zustände (Gefühle und Gedanken) anderer Personen und sich selbst zuzuschreiben, also die Fähigkeit, die eigenen Gedanken, Gefühle, Wünsche, Absichten und Vorstellungen und diejenigen Anderer zu erkennen, zu verstehen und vorherzusagen (Remschmidt et al. 2006).“

Ich komme hier schon fast an ein Paradoxon. Auf der einen Seite ist es mir ein Bedürfnis möglichst viel vorauszuplanen damit ich eine gewisse Sicherheit habe. Bei anderen Menschen jedoch empfinde ich es, auch auf mich selbst übertragen, als einen ganz intimen Eingriff wenn jemand versucht mich vorherzusehen. Ich würde mich dann nämlich manipuliert fühlen. Anders ausgedrückt: Wenn jemand meine Reaktionen vorhersehen kann weiß er auch wie er eine von ihm gewünschte Reaktion provozieren kann. Vorhersehbar zu sein empfinde ich als sehr unangenehm. Und weil ich das für mich so empfinde werde ich auch nicht versuchen jemand anderen und seine Reaktionen vorherzusehen. Auch wenn es viel Kraft kosten kann mit „Überraschungen“ umzugehen, so ist doch genau diese Freiheit das was ich an anderen Menschen schätze. Dass sie so sind wie sie eben sind, und nicht wie ich es vielleicht gerne hätte und steuern könnte. Vielleicht mag ich auch deshalb Gespräche mit Verkäufern nicht wirklich. Sie sind für mich nämlich ganz klar vorhersehbar und das eben auch in ihrer Absicht mich mit Worten manipulieren zu wollen. Und das ist kein Verfolgungswahn sondern Verkaufspsychologie 😀

„Das Wissen darüber, dass jede Person Gedanken und Gefühle hat und dass diese sich von denen anderer Personen unterscheiden können, bildet die Grundlage für das Verstehen sozialer Situationen (Colle et al. 2006).“

Auch hier sehe ich die Sache differenziert und etwas gespalten. Ich denke jeder Autist wird sich früher oder später im Leben darüber klar, dass sich seine Gedanken und Gefühle massiv von denen der anderen Menschen um ihn herum unterscheiden. Ein Aspekt der erheblichen Leidensdruck verursachen kann. Ich denke sogar das Autisten sich genau über diesen Punkt sehr viel klarer sind als nichtautistische Menschen. Diese neigen doch dazu, ihre Sichtweise von Dingen für gültig zu erklären. Das Bild „Autisten leben in ihrer eigenen Welt“ ist so entstanden. Durch Außenbeobachtungen und Schlussfolgerungen aufgrund der Erfahrungswerte von Nichtautisten. Man schloss aus gewissen Verhalten eben daraus das Autisten in ihrer eigenen Welt leben müssen und damit auch von der Außensicht auf die Innensicht und das beides Deckungsgleich ist.

„Im Alltag zeigt sich der Mangel an Theory of Mind oft darin, dass Menschen mit ASS Doppelbödigkeiten nicht verstehen, da sie sich auf den Inhalt von Aussagen fokussieren ohne die Prosodie und/oder die Mimik in die Interpretation mit einzubeziehen. Daher haben sie z.B. im Verstehen von Witzen und Ironie Schwierigkeiten.“

Provokant gefragt: Liegt hier der Fehler in dem Nichtverstehen von Doppeldeutigkeiten? Oder doch vielmehr in der Verwendung derselben? Ich höre nur allzu oft, dass sich auch Nichtautisten eine klarere Sprache wünschen und dass diese wesentlich einfacher, umgänglicher und stressfreier ist. Und mal Hand aufs Herz: Doppeldeutigkeiten bzw. versteckte Botschaften sind letztendlich nur eines: Das sich um die direkte Aussage und die Wahrheit drum herum drücken. Warum sonst verpackt man unangenehme Aussagen? Was Witze betrifft: Auch Nichtautisten verstehen nicht alle Witze oder finden diese Witzig.

Zentrale Kohärenz:

Eine Theorie in der ich mich mit meinen Autismus noch am ehesten wiederfinden kann. In meinem Vortrag über die „Stärken der autistischen Wahrnehmung“ nimmt die Zentrale Kohärenz auch einen wichtigen Platz ein.

„Bei Menschen mit ASS ist die Fähigkeit zur zentralen Kohärenz beeinträchtigt. Dagegen ist die Tendenz, Reize isoliert und kontextfrei zu verarbeiten stark.“

Hier wurde ich den Grund weniger in der Fähigkeit an sich suchen, sondern in der Reizverarbeitung im Gehirn. Autisten nehmen, in meinen Augen, die Reize bevorzugt isoliert und kontextfrei wahr da diese, und hier liegt der Unterschied zum Nichtautisten, nicht oder nur eingeschränkt vom Thalamus vorgefiltert werden. Bei Nichtautisten werden Sinnesreize schon vor dem Übergang in das Bewusstsein im Bereich des Thalamus gefiltert und auch priorisiert (z.B. Gefahrreize). Werden die Reize jedoch fast ungefiltert in das Bewusstsein übertragen, ist es die Aufgabe des Autisten diese im Bewusstsein zu analysieren und wieder in einen Kontext zu bringen.

„Es wird oft von einer ausgeprägten Detailwahrnehmung bei Menschen mit ASS gesprochen. Studien konnten zeigen, dass Menschen mit eine leichten Form einer ASS dazu in der Lage sind, ganzheitlich wahrzunehmen, wenn sie explizit dazu aufgefordert werden.“

Das sehe ich nicht ganz so. Nehmen wir das Beispiel mit den vielen Bäumen. Ein Nichtautist neigt dazu einen Wald zu sehen, ein Autist die einzelnen Bäume. So wieder der Nichtautist aber auch die Bäume in einem zweiten Schritt wahrnimmt schließt ein Autist aus den Bäumen einen Wald.

Oder anders gesagt: Die einen sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Als Autist sehe ich viele Bäume und weiß das es ein Wald sein muss 🙂

Exekutive Funktionen:

„Bei den exekutiven Funktionen geht es um die Fähigkeit zu planen und zielgerichtet zu handeln. Bei Menschen mit ASS sind diese Funktion beeinträchtigt“

Dem muss ich klar widersprechen. Gerade Autisten neigen dazu, auch um die Sicherheit ihrer Umgebung zu gewährleisten, alles und auch Details zu planen und sehr zielgerichtet zu handeln. Kleines Beispiel „Einkaufen gehen“.

Als Autist schreibe ich meinen Einkaufszettel nach dem Durchlauf im Markt. Ich gehe sehr zielgerichtet, umweglos und schnell zu den einzelnen Posten und kaufe so sehr direkt ein. So mancher Nichtautist schlendert eher durch den Markt, bleibt stehen, greift hier und dort zu, plaudert noch mich anderen Menschen und verbringt (mal hart gerechnet) wesentlich mehr Zeit beim Einkaufen als ich.

„Diesen Störungen gemeinsam ist eine mangelnde Hemmung von Reaktionen, die einer zielgerichteten Handlung abträglich sind.“

Ich kann nun nicht für alle genannten Fälle sprechen. Aber bei Autismus und Tourette sehe ich das anders. Gerade beim Tourettesyndrom ist es in meinen Augen keine mangelnde Hemmung von Reaktionen. Der Druck der sich hier aufbaut wird durch ein bewusstes unterdrücken und hemmen noch schwerer. Je mehr man dagegen angeht umso schlimmer wird es. Auch gehe ich eigentlich davon aus, dass man nur die Handlungen bewusst hemmen kann die der eigenen Entscheidungsgewalt unterliegen. Dies ist, auch wenn die Außenwelt das gerne so sieht, nicht immer der Fall. Als Beispiel bei Autismus kann ich hier den Drang zum Selbstverletzung nennen. Natürlich ist man sich in so einer Situation sehr bewusst dass man sich hier schadet. Aber genau dieses Bewusstsein und das Gefühl das der Körper einen zu Handlungen zwingen kann die man kaum unter Kontrolle hat machen es einen in so einer Situation noch viel schwerer. Das mag unter Umständen aber nur jemand nachvollziehen können der selbst schon in einer solchen Situation war. Auch wenn die „Theory of Mind“ das eigentlich von jedem Menschen verlangt, oder? 😉

„Menschen mit einer ASS reagieren bei Wut beispielsweise oft in der Tendenz impulsiv und aggressiv. Sie scheinen nicht in der Lage zu sein, alternative Verhaltensweisen in Betracht zu ziehen.“

Das stimmt definitiv nicht. Über das Thema „unvermittelte Wutausbrüche“ habe ich schon einiges in meinem Blog geschrieben. Kurz gefasst:

Die Handlungen sind in der Mehrheit nicht impulsiv und damit unvorhergesehen. Sie sind vorhersehbar und kündigen sich oftmals deutlich an. Als unvermittelt und impulsiv werden sie nur deshalb empfunden weil die Außenstehenden die Anzeichen und „Hilferufe“ des Autisten nicht oder nicht richtig deuten. Auch hier meine, vielleicht provokante, Frage: Wo ist da die Theory of Mind bei den Nichtautisten? Sie wird solange nicht funktionieren wie man die Innensicht der Autisten nicht verinnerlicht hat. Im Umkehrschluss aber verlangt man von Autisten dass sie die Innensicht der Nichtautisten beherrschen. Eine Schieflage die man dringend hinterfragen muss würde ich sagen.

Aggressiv sind die Ausbrüche zumeist auch nicht. Vielmehr sind es oftmals die einzige Wahl die einem Autisten noch übrig bleibt aus einer, für ihn extrem bedrängenden und unangenehmen Situation, zu flüchten. Daher sehe ich die von anderen empfundene Gewalt eher als passiv da sie nicht das Ziel hat andere Menschen zu verletzen sondern nur sich einer Notsituation zu entziehen. Es ist eine Flucht.

„Unerwartete Veränderungen von Personen oder Abfolgen in der Schule führen bei Menschen mit ASS zu starker Verunsicherung und in der Folge nicht selten zu aggressivem Verhalten.“

Wobei dieses als aggressiv empfundene Verhalten weniger ein Protest gegen Veränderungen ansich ist sondern vielmehr ein Ergebnis selbiger. Veränderungen verursachen Verunsicherung. Verunsicherung verursacht Stress weil jeder Sinnesreiz eine „Bedrohung“ darstellen kann. Stress wiederum führt zu einer langsameren Verarbeitung der Sinnesreize und damit zu einer sich steigernden Reizüberflutung. Diese verursacht noch mehr Stress, dieser verlangsamt die Reizverarbeitung noch mehr. Das schaukelt sich dann zu einem Overload hoch der sich auch in einem, von der Außensicht so gedeutetem, aggressivem Verhalten widerspiegeln kann.