Nach außen hin klingt es gut was die Barmherzigen Brüder in ihrem Linzer Krankenhaus  vorhaben:

Sie möchten, eng in Zusammenarbeit mit dem Children’s Hospital der Harvard School of Medicine in Boston, ein Therapieprogramm für autistische Kinder etablieren und anbieten. Autisten sollen, kurz zusammengefasst, soziale Fähigkeiten und Interaktion lernen um besser im Leben zurecht zu kommen.

Das ist die eine Seite der Medaille die gerne gezeigt und auch gesehen wird. Wie alles im Leben hat aber auch diese Art der Therapie eine zweite Seite. Drehen wir also die Medaille einmal herum und schauen was wir dort finden.

Wie bei ABA auch ist der Schlüssel zum Erfolg eine möglichst frühe Erkennung des Autismus. Je früher man den Autismus beim Kind erkennt umso besser greift die Therapie. Was bedeutet das nun?

Zum einen, und das liegt in der Natur einer Früherkennung von Autismus , werden Kinder im Alter von 2-4 Jahren therapiert.  Und das mit einer Therapie – die in den USA – teilweise mit 30 bis 40 Stunden pro Woche praktiziert wird. In Zeiten in denen man schon überlegt, ob Schulkinder noch Freizeit haben und nicht schon chronisch überlastet sind, muss man sich fragen: Wie geht es einem Kindergartenkind mit einer 40 Stunden Woche? Ist das noch gesund?

Schlimmer noch: Die in Linz angestrebte Therapie

 „richtet sich an Kinder im Alter zwischen einem und zwei Jahren.“

Ist Autismus ein solches Schreckgespenst für die Gesellschaft, dass man schon Babys therapieren muss? Ist die Angst vor Andersartigkeit so tief verwurzelt, dass um jeden Preis ein „normales“  bzw.  „genormtes“ Leben angestrebt wird?

Wie tief dieser Wunsch nach „Normallität“ sitzt erkennt man in einem Wunsch der Barmherzigen Brüder:

„Die Experten wünschen sich daher ein flächendeckendes Screening, dieses dauere nur ein paar Minuten“

Kombiniert man dies mit dem Fakt das hier 1-2 jährige therapiert werden sollen kann das nur eines bedeuten: spätestens mit dem ersten Lebensjahr soll jedes Baby auf Autismus „untersucht“ werden.

Das macht aber wenig Sinn, wenn man bedenkt das der Autismus sich typischerweise erst im Alter von 3 Jahren bemerkbar macht. Dazu kommt: Ein Facharzt braucht mehrere Stunden und Sitzungen um eine fundierte Autismusdiagnose zu erstellen. Wie kann ein Screening das nur wenige Minuten dauert das ersetzen? Und dann in einem Kindesalter indem Autismus noch nicht eindeutig zur Vorschein kommt?

Für mich führt das alles nur zu einem: Panik. Verhält sich ein Baby anders als man es erwartet oder als es „normal“ ist wird es, wenn es nach Wünschen der Barmherzigen Brüder geht, in ein paar Minuten auf Autismus gescreent und dann, wenn das Screening positiv verlaufen ist, quasi in Vollzeit therapiert.

Ist es das was wir wollen? Babys die auf eine Norm getrimmt werden und bei dem kleinsten Verdacht in eine Therapiemühle geraten? Wollen wir wirklich unsere Gesellschaft noch früher im Leben „vernormen“ und auf Einheit trimmen? Wo bleibt da die Vielfalt und das menschliche? Wo bleibt da die Chance und das Recht von Babys und Kindern sich einfach natürlich zu entwickeln? Und in welcher Gesellschaft leben wir eigentlich in der jeder „Abweichung“ oder „Auffälligkeit“ gleich mit einer Therapie begegnet wird?

Autisten zu helfen ist eine gute Sache. Wer jedoch schon bei Babys anfängt und quasi jeden neu auf diese Welt gekommenen Menschen irgendwan screenen möchte macht aus einer guten Sache eine gut gemeinte.

Wem ist bei sowas geholfen? Zum einem wohl den Therapeuten die an solchen Methoden gut verdienen. Zum anderen wohl auch dem Image: Man tut etwas Gutes wenn man Autisten ein Leben in der „normalen“ Welt ermöglicht.

Was hinten runter fällt: Der autistische oder dank des so frühen minutenschnellen Screenings vielleicht auch nicht autistische junge Mensch der in eine Therapiemühle gerät und dessen normale Entwicklung im Kern schon erstickt wird

Wie schrecklich muss Autismus für die Gesellschaft sein, wenn man ihn schon so früh wegtherapieren möchte? Ich weiß es nicht aber es macht mich traurig. Auch weil beim Thema Autismus kaum die Menschen zu Wort kommen die ihn am besten kennen: Die Autisten selbst.