Dieser Brief geht an die Geschäftsleitung, den Aufsichtsrat und die Mitglieder des Kuratoriums der Aktion Mensch. Er ist zu Dokumentationszwecken offen einsehbar kann aber nicht mitgezeichnet werden. Die Exemplare dieses Briefes gingen heute Abend per Fax an die jeweiligen Empfänger.

Sehr geehrter Herr von Buttlar, sehr geehrter Herr Dr. Bellut , sehr geehrte Mitglieder der Geschäftsleitung, des Aufsichtsrates und des Kuratoriums der Aktion Mensch,

die Aktion Mensch möchte Menschen mit einer oder mehreren Behinderungen helfen, sie über Projekte unterstützen und legt großen Wert auf das Vorantreiben von Inklusion in Deutschland.

Ich wende mich als Mensch mit Behinderung in der Hoffnung an Sie, dass auch die Stimme der Menschen, für die Sie etwas erreichen möchten, gehört wird. Leider zeichnet sich in den letzten Wochen ab, dass dies eben nicht geschieht.

Die Fragen zu der Förderung einer umstrittenen Therapiemethode bei Autismus, Downsyndrom und anderen Behinderungen (ABA Applied Behaviour Analysis) werden vom Social Media Team und auch von Herrn Decker als Pressesprecher konsequent ignoriert. Es gab im November ein Expertengespräch an dem ich auch teilgenommen habe. Seit diesem jedoch werden weitere Emails und Hinweise ignoriert und nicht beantwortet. Ich fühlte mich auf eben dieser Veranstaltung von anderen Gästen Ihres Hauses körperlich und verbal bedrängt. Ich teilte dies Herrn Decker mit. Er reagierte nicht und hat sich seitdem auch nicht mehr bei mir gemeldet. Als Gastgeber sollte die Aktion Mensch anders reagieren.

Wir Autisten, Angehörigen und Menschen mit Bezug zur Thematik Inklusion fühlen uns Seitens der Aktion Mensch, deren Social Media Team, der Öffentlichkeitsarbeit und der Pressestelle mit unseren Bedenken und Sorgen nicht ernst genommen. Man redet über uns aber nicht mit uns. Dies kann so nicht weitergehen, passt es doch auch nicht zum Image der Aktion Mensch.

Aber überzeugen Sie sich selbst:

Lovaas, Begründer der umstrittenen Therapie, sagte folgendes:

“You see, you start pretty much from scratch when you work with an autistic child. You have a person in the physical sense—they have hair, a nose and a mouth—but they are not people in the psychological sense. One way to look at the job of helping autistic kids is to see it as a matter of constructing a person. You have the raw materials, but you have to build the person.”

Das geförderte Projekt äußert sich wie folgt:

“Es geht darum, dass die Kinder ihr gelerntes autistisches Verhalten vergessen und ein neues Verhalten erlernen”

„Um dem Kind möglichst viele, dem Lernen normaler Kinder vergleichbare Lernerfahrungen  zu ermöglichen muss die Therapie: […]
möglichst die gesamte Wachzeit nach einem Gesamtkonzept strukturieren (Lernen soll den ganzen Tag stattfinden).“

Passen solche Aussagen zum Leitbild und den Zielen der Aktion Mensch?

Zum Thema Inklusion schreibt die Aktion Mensch folgendes:

Inklusion heißt wörtlich übersetzt Zugehörigkeit, also das Gegenteil von Ausgrenzung. Wenn jeder Mensch – mit oder ohne Behinderung – überall dabei sein kann, in der Schule, am Arbeitsplatz, im Wohnviertel, in der Freizeit, dann ist das gelungene Inklusion.

In einer inklusiven Gesellschaft ist es normal, verschieden zu sein. Jeder ist willkommen. Und davon profitieren wir alle: zum Beispiel durch den Abbau von Hürden, damit die Umwelt für alle zugänglich wird, aber auch durch weniger Barrieren in den Köpfen, mehr Offenheit, Toleranz und ein besseres Miteinander.“

Indem die Aktion Mensch uns Autisten nicht zuhört und uns ohne Antworten stehen lässt, betreibt sie Ausgrenzung. Die Ausgrenzung von Menschen die darauf hinweisen, dass ein gefördertes Projekt einer Gruppe von Menschen mit Behinderung schadet. Indem sie uns ignorieren fördern sie eine Gesellschaft in der es nicht normal ist „verschieden zu sein“. Das Projekt möchte Autisten umerziehen. Das fördert Vorurteile, einen Normierungswunsch, schafft mehr Barrieren für uns und ist Alles in Allem keine Toleranz und definitiv kein Miteinander.

Als Mitglied der Geschäftsleitung, des Aufsichtsrates oder des Kuratoriums der Aktion Mensch sollten Sie sich dem Thema Inklusion verpflichtet fühlen. Es kann nicht in Ihrem Interesse sein, dass betroffene Menschen nicht gehört sondern solange ignoriert werden bis sie keine Kraft mehr haben und schweigen.

Ich wünsche mir, dass Sie sich dieser Herausforderung stellen und unsere Bedenken ernst nehmen. Stehen Sie für die Menschlichkeit ein die sie mit Ihrer Arbeit aktiv unterstützen möchten.

Ich bedanke mich für eine Antwort im Voraus und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Aleksander Knauerhase