„Die menschliche DNS — unendliche Weiten.  Wir schreiben das Jahr 2014. Dies sind die Abenteuer von Autism Speaks, das mit einer 10.000 Genanalysen starken Datenbank viele Jahre lang unterwegs ist, um neue Genome zu erforschen, neue Subtypen von und neue Therapien für Autismus zu finden. Viele Lichtjahre von der Realität entfernt, dringt Autism Speaks dabei in Dimensionen vor, die nie ein Autist zuvor vermutet hätte“

Daran dachte ich als ich das erste Mal den  Fundraisingspot zu MSSNG (steht für Missing) von Autism Speaks anschaute . Ob Sie hier am Mythos Star Trek anknüpfen möchten? Oder an der Entdeckertradition der Amerikaner?

Ich habe den Text vom Spot, dem übrigens Untertitel fehlen, mal aufgeschrieben und möchte ihn hier veröffentlichen. Einige Stellen können fehlerhaft sein, ich habe leider nicht alle Worte akustisch verstanden.

„The unknown

Vast, unexplored, a place of hidden potential, and great discovery

alone we can´t grasp it

together we will master it

it is an hope for Answers, and we keep pushing on

to change lives, because we took that journey

This is DNA
The Beauty that nature gave us

making everyone a work of wonder

The missing Answers to Autism can be found in the DNA

Exploring it will change the Future of this Disorder

uncovering different subtyps for personalized treatment

Because what we know so far is not enough

Autism Speaks presents Missing (MSSNG)

An Open Source Research Platform for Autism

We will collect the DNA of 10.000 families affected by Autism

creating the Worlds largest database letting Scientists from around the world analyse it,

study it to find the missing Answers.

Your Donations will bring this Project to Life and together we can conquer the unknown”

Was gibt es zu dem Spot zu sagen? Es sind Hochglanzbilder. Er stellt Autismus als unbekanntes Mythos dar dass man erforschen möchte. Man möchte, quasi in der alten Pioniertradition, das Unbekannte verstehen und erforschen. Getrieben von der Suche nach Antworten auf Fragen die Autismus aufwirft. Das „tolle“ dabei ist: Jeder der Spendet ist bei dieser aufregenden Entdeckungsreise dabei! Klingt bisher ja alles recht positiv, oder? Ich denke genau das will Autism Speaks auch erreichen: Das Bild der tapferen, von der Suche nach Wissen angetriebenen, Struktur die Gutes bewirken möchte und dafür Grenzen überwindet die zuvor noch niemand überwunden hat. Eines muss man Autism Speaks neidlos bescheinigen: Sie haben es mittlerweile, vielleicht auch nach der Schlappe mit „I´m Autism“ , gut gelernt ihre wahren Ziele zu verstecken bzw in lauter „Wohltat“ zu verpacken.

Schaut man aber mal hinter die Fassade dieses Spots kann einem folgendes auffallen:

„Exploring it will chance the Future of this Disorder. “

Definitiv wird dieses Projekt die Zukunft der Autismusspektrumstörung verändern. In welche Richtung wird hier nicht erwähnt. Natürlich nicht: Man möchte ja nur Gutes und kaum ein Konsument dieses Spots wird an etwas Negatives denken. Als Autist macht mir das jedoch Angst.

Autism Speaks sagt zum Projektziel:

„Uncovering different subtyps for personalised Treatments“

Ziel der Genanalyse ist also zum einen Subtypen von Autismus zu erforschen um dann personalisierte Behandlungen entwickeln zu können.

Da stellen sich mir mehrere Fragen:

  1. Unter Subtypen verstehe ich aktuell: Das Asperger Syndrom, Kanner Autismus und atypischen Autismus. Beim Kanner bzw. Frühkindlichen Autismus unterscheidet man dann noch in der Funktionalität des Autisten. Also hochfunktional (HFA), mittelfunktional (MFA) und niedrigfunktional (LFA). Man kann diese Subtypen bisher doch recht gut diagnostizieren. Braucht es da Genanalysen? Wenn ja: Warum? Um valide und eindeutige Diagnosen stellen zu können? Wie man sehen kann: Eine Thematik die derzeit heiß diskutiert wird. Anscheinend sind sich die Autismusexperten auf der Welt mittlerweile so unsicher ob ihrer Diagnosevalidität, dass sie lieber gerne einen einfachen und aussagekräftigen Bluttest hätten.
  2. Therapien und Behandlungen müssen immer individuell auf den Klienten angepasst sein. Daher braucht es sowieso für jeden Autisten eine individuelle Behandlungsmöglichkeit. Wie soll und kann da eine genetische Identifikation helfen? Und wer sagt , sofern es sowas geben sollte, dass alle Menschen eines genetischen Subtyps genau eine spezielle Behandlung benötigen die dann auch bei allen passt? Und was macht den Unterschied zwischen den Subtypen die man vermutet aus? Wenn man nach Subtypen sucht muss man ja eine Theorie haben das es sie gibt und wie sie aussehen könnten. Dazu sagt Autism Speaks nichts.

Beim Thema Genanalyse schlagen mir immer zwei große Meinungen entgegen:

„Das wird nicht passieren/das wird nie Realität“

Gehen wir mal davon aus, dass es wirklich in Zukunft nie passiert das Autismus genetisch testbar sein wird. Dann bleibt mir nur die Antwort: Warum dann Milliarden Dollar und Euro in etwas stecken was sowieso nie Realität wird? Das Geld ist meiner Meinung in so einem Fall viel besser in der Gegenwart aufgehoben und sollte für Hilfen und die Unterstützung von Autisten verwendet werden.

Der Skeptiker in mir sagt jedoch: Wie können wir sicher sein, dass sowas nie Realität wird? Wege werden gegangen und irgendwann kommt man an sein Ziel.

Was wir dann haben, ist eine Zukunft ohne Autisten. Klingt nicht glaubwürdig? Schaut euch die Abtreibungsraten beim Down Syndrom an. Mehr als 90% der Fälle mit einem positiven Pränataltest auf Down Syndrom werden abgetrieben. Warum sollte das bei Autismus anders sein?

Wenn man sich anschaut wie Autism Speaks Autismus sieht und definiert ist die Annahme dass es ein nachgeburtlicher Bluttest werden soll eine Illusion. Was würde ein solcher Bluttest ändern? Autism Speaks empfindet Autismus als teuflisch.  Ein solcher Bluttest würde Autismus nicht verhindern. Ein pränataler Gentest könnte dies schon.

Nun könnte man immer noch sagen: Ach was interessiert mich das was die da drüben in den USA so veranstalten?

Kann man leider nicht, diese Bewegung und die konkreten Einflüsse von Autism Speaks sind längst in Europa und auch in Deutschland angekommen.

Es geht Autism Speaks um den Gentest und die Verhinderung von Autismus. Teuflischer Partner dabei ist die Pharmaindustrie: Ein Medikament „für“ Autismus ist verlockend, bei den steigenden Diagnosezahlen ein riesen Geschäft. Und das man bei der Genanalyse etwas findet womit man medikamentös regulierend eingreifen kann ist nicht unwahrscheinlich. Ein WIN WIN für alle Beteiligten. Die Pharmaindustrie profitiert von  Autism Speaks Projekt, Autism Speaks kann die wahren Gründe weiter verschleiern.

Das Drama geht aber noch weiter. Wenn bei der Bundestagung von Autismus Deutschland offen darüber gesprochen wird, dass es dringend objektive Tests für eine valide Diagnostik im Autismusbereich braucht und auch der Genbereich dabei eine Rolle spielt.

Das Gedankengut von Autism Speaks ist mittlerweile bei den Spezialisten in Deutschland angekommen. Auffällig ist es schon das Autism Speaks neuerdings sagt:

„Exploring it will chance the Future of this Disorder. Uncovering different subtyps for personalised Treatments”

Beim ZI Mannheim, Teilnehmer am EU-AIMS Projekt, steht folgendes:

„Um neue Behandlungsstrategien zu entwickeln und bereits etablierte Therapieverfahren effektiver gestalten zu können, ist ein besseres Verständnis dieser Grundlagen dringend erforderlich.“

Und wem Autism Speaks unangenehm ist der winkt eben mit EU-AIMS und der Meinung der Kollegen. Und so manch einer freut sich über die Forschungsgelder. Wie heißt es so schön? „Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing“ Dann singt man auch schon mal so laut, dass kritische Nachfragen überhört und ignoriert werden. Mit einer „offenen“ und „transparenten“ Wissenschaft hat das dann nicht mehr viel zu tun. Da hilft auch nicht das MSSNG eine „Open Source Research Platform“ ist.