Ich habe die Bundestagung für mich mittlerweile abgebrochen. Nicht weil sie uninteressant ist sondern weil ich einfach am Ende mit meiner Kraft bin. Das waren sehr anstrengende Tage und ich habe gemerkt dass ich den Ausführungen nicht mehr wirklich folgen kann. Der Bericht vom heutigen dritten Tag wird also nicht so ganz ausführlich.

Hier geht’s zum Tag 1 und zu Tag 2

Ich greife mal vorweg: der zweite Vortrag von Prof. Dr. André Zimpel „Achtung Andersdenkende! Neuropsychologische Potenziale des Autismusspektrums als soziale Bereicherung“ war ein guter Gegenpol zum ersten Vortrag den Frau PD Dr. Kamp-Becker hielt. Zumindest der Anfang den ich noch mitbekommen habe. Kurz zusammengefasst vertritt er die Meinung, dass eine valide Diagnose Autismus, wenn sie aufgrund von organischen Merkmalen wie Genbesonderheiten erreicht wird, nicht anstrebenswert sein kann. In Ländern in denen ein Pränataltest zu Trisomie21 obligatorisch ist hat man mittlerweile das Gefühl, dass eine Facette verschwunden ist. Beruhend auf einer Abtreibungsquote von mehr als 90%. Eine nicht so valide Diagnose Autismus rettet also Leben. Recht hat er.

Der erste Vortrag den ich punktgenau erreicht habe ging über die Fragestellung „Autismus-Spektrum-Störung: Eine valide Diagnose?

Anfangs definierte Frau Kamp-Becker die Worte Diagnose und valide. Das war auch nötig, ansonsten hätte man noch bösere Gedanken bekommen können. Dazu später.

Die Referentin stellt folgendes fest:

Autismus ist in den letzten Jahren bekannter geworden. Man würde überall darüber lesen können. Autisten würden weniger übersehen. Das führt zu einer Explosion von Menschen die eine Abklärung auf Autismus haben wollen was wiederum die bestehenden Kontingente überlastet. Dazu kommt das ca 50% der Menschen die mit einer Diagnose in ihr Institut kommen letztendlich keine Autisten seien. Bei verdachtsfällen liegt die Quote der Nichtautisten zwischen 50 und 70%. Autismus ist, in den Augen von Kamp-Becker zu einer Modediagnose verkommen. Eine Studie und eine Umfrage unter ihren Studenten hat ergeben, dass Autismus zumeist positiv belegt ist. Eine Verbindung mit geistiger Behinderung besteht kaum. Das würde aber wiederum dem Autismus nicht gerecht werden, das Bild weicht erheblich (in Richtung Positiv) von der Realität ab. Dabei warnt die Referentin ausdrücklich vor Internetseiten die genau dieses falsche Bild vermitteln.

Autismus hat, wiederum in den Augen der Referentin, eine große Chance auf Inklusion im Bildungswesen. Das würde ausgenutzt und führe dazu, dass Menschen mit Behinderung die schwerer behindert sind und die Hilfe also dringender benötigten das Nachsehen haben.

Die neue Definition von Autismus im DSM V wird gelobt. Grund: Er enthält nun nicht mehr einzelne Diagnosen sondern unterteilt in Schweregrade. Was die Referentin dabei übersieht: Wer stellt denn fest wie schwer der Autismus ist? Und ist er bei jemandem der schwer betroffen ist aber trotzdem auf Kosten der eigenen Kraft gut kompensiert nun Schweregrad 1 oder 3? Wie soll man das bemessen? Glaubt man dem Autisten? Oder vermutet man dann auch dass die Validität der Einteilung in Schweregrade unterlaufen wird? Fragen die definitiv nicht angesprochen worden sind. Wahrscheinlich wäre es so einigen am Liebsten es gäbe nur noch die „schweren Autisten“. Der Rest ist eben schräg aber nicht autistisch. Schwerer Autist bedeutet dann, so könnte man den Eindruck gewinnen, jemand der zu Nichts fähig ist.

Es folgte ein Teil über objektive Merkmale. Die Referentin würde es begrüßen wenn es eben solche gäbe. Zum Beispiel einen gefundenen Genmarker an dem man klar sagen kann: Autist oder nicht. Dabei erwähnte sie, dass die Heritabilität von Autismus zwischen 70 und 90% liegt. Da frage ich mich wiederum: Warum wird das nicht längst anerkannt. Es ist vererbbar, man hat es von Geburt an.

Eine andere Möglichkeit wäre ein Nachweis im MRT. Problem hierbei für die Referentin: Man kann eben nur zwischen Krank und Gesund unterscheiden. Und Autisten sind nun einmal nicht gesund. Aber ob das was man dann sieht Autismus ist kann man nicht sagen.

Die Referentin forderte dann die Förderung der Abgrenzung zwischen Autismus und Normal. Sie brachte dabei einen, in meinen Augen dummen, Witz: Drücke man Männern einen Autismusfragebogen in die Hand würden die den CutOff wert doch sowieso übersteigen. HA HA. Sie wollte wohl damit ausdrücken das solche Methoden sehr invalide sind weil „normale“ Männer auch zu Autisten gemacht würden.

Weiterhin nahm sie dann verschiedene Merkmale die man bei Autisten als herausstechend bezeichnet auseinander. Spezialinteressen würden als typisch für Autisten gesehen werden, seien aber auch außerhalb des Spektrums zu finden und „normal“. Sage ich ja schon immer. Und ich habe keinen Dr. Titel.

Als nächstes kam dann die Emotionserkennung dran. Bei Autisten sind nur 30% der Testteilnehmer unterdurchschnittlich schlecht. Einige waren sogar besser als der Durchschnitt aller. Die varianz ist hier zu hoch. Man könne das also nicht als valides Merkmal ansehen.

Danach wurde die Theory of Mind angesprochen. Jungen generell würden hier nicht über Emotionen reden was man dann als Autismus interpretiert. Bei Mädchen ist das anders, allerdings reden autistische Mädchen weniger über Emotionen als nichtautistische. Schlussfolgerung: ToM taugt nicht zwangsläufig als valides Merkmal weil es eben normal ist wie es ist.

Die ToM zweifel ich ja schon länger an. Für mich war das also auch nichts Neues. Aber schön das die Experten nun auch auf den Trichter kommen das ToM nicht unbedingt taugt um Autisten defizitär zu definieren.

Thema Spielprobleme: Da geistig behinderte Menschen und Kinder mit sozialen Störungen die auch haben: Kein valides Merkmal für Autismus.

Rituale sind in der Kindheit normal und treten auch bei Zwangsstörungen und emotionalen Störungen auf.

Sensorische Auffälligkeiten bei Autismus bezeichnet Kamp-Becker als Klischee. Sie sind eher an ein niedriges Funktionsniveau gebunden.

Ergebnis der Referentin: Subtypen von Autismus sind untereinander nicht abgrenzbar. Umso wichtiger sei die Abgrenzung zur „Normalität“.

Zur Validität der Autismusdiagnosen: Sie ist erheblich niedriger bei kleinen Kindern, sehr später Diagnostik und entweder sehr hoher oder sehr niedriger Intelligenz.

Generell ist die Validität zwischen dem 3ten und 5ten Lebensjahr am höchsten. Davor und danach sinkt sie erheblich.

Sie sprach dann noch über die Auswirkungen falsch positiver und falsch negativer Diagnosen. Auffällig: Falsch negative Diagnosen würden eine frühe Förderung verhindern. Das stimmt. Sie brachte als Beispiel allerdings ABA.

Was nehme ich aus dem Vortrag mit? Ich sollte meine Diagnose zurückgeben. Ich bin hochbegabt und erst mit 35 diagnostiziert worden. Die Validität meiner Diagnose ist also statistisch gesehen extrem niedrig. Alles was bisher als Merkmal für Autismus angesehen wurde ist nicht mehr valide da auch andere Störungen diese aufweisen und zeigen können. Anstelle das man von Modellen wie die ToM abgeht weil sie eben defizitorientiert sind geht man nun von weg weil sie keine valide eindeutige Trennung zwischen Autismus und Normal ermöglichen. Fachleuten wäre es am liebsten man könnte mit einem Test, also etwas eindeutigem und nachweisbaren, Autismus nachweisen. Das würde viele Probleme lösen und die Validität der Diagnosen, wie bei Trisomie 21, auf 100% heben. Folgen davon? Egal: Hauptsache Valide und gut abgegrenzt.

Ich habe wie gesagt die Tagung nun abgebrochen denn eines wurde mir klar:

De Kees is gesse … ich muss ihn nur noch verdauen