Es war einmal, in einem Land nicht weit von hier, ein kleiner Junge den alle in seiner Umgebung nur Stinkstiefel nannten. Wer ihm diesen Spitznamen gegeben hat kann wohl keiner mehr so genau sagen, warum man ihn so nannte war jedoch klar: Der kleine Junge war oft mürrisch, viele dachte er sei dickköpfig und oftmals schlug er plötzlich um sich. Und immer dann verstanden die Menschen um ihn herum nicht warum er das tat. Ist der Stinkstiefel wirklich böse? Nein, er ist einfach nur anders. Der kleine Junge ist Autist. Ihr fragt Euch was an dem kleinen Jungen so anders ist? Er sieht die Welt mit anderen Augen. Ihn fasziniert nicht der Baum der vor ihm steht sondern die kleine Raupe auf einem der Blätter. Er liebt nicht die Musik sondern die einzelnen Töne die in seine Ohren schwingen und sich dort zu einem guten Gefühl zusammenfinden. Und dort wo andere Menschen reden teilt sich unser kleiner Stinkstiefel auf seine Art und Weise mit. Eine Art die ihm so nahe liegt und leider von vielen Menschen nicht verstanden wird. Im Glückland, so heißt das Land in dem der kleine Junge lebt, ist es normal das man spricht. Und während alle anderen Menschen sprechen haben sie über die Zeit vergessen ihre Sinne und Achtsamkeit für all das zu bewahren was nicht Sprache aber dennoch menschlich ist. Das Strahlen der Augen, eine gerunzelte Stirn oder ein sanftes Lächeln. All das spielt in Glückland keine Rolle mehr. Denn, und das muss man über Glückland wissen, hier sind alle Menschen glücklich. Zumindest behauptet das die Königin von Glückland immer wieder. Streng genommen hatte sie sogar befohlen dass alle Bürger glücklich sein müssen. Und wenn ein „ja aber“ aus der Bevölkerung kam verwies die Königin nur auf Pechrika indem die Menschen kein Glück kannten. Alleine schon in Glückland zu wohnen war, in den Augen der Königin, das wahre Glück im Leben. Das Glück war ihr so wichtig, dass sie wirklich alles daran setzte ihre Untertanen glücklich zu machen. So auch unseren kleinen Stinkstiefel. Aber schauen wir selbst.

Wie alle Kinder in Glückland musste auch der kleine Stinkstiefel in die Schule gehen. Und weil er eben „anders“ war als andere ging er auch in eine „andere“ Schule. Eine Schule die noch andere kleine Stinkstiefel, Gummibälle und Sanduhren besuchten. Nun könnte man glauben dass unser kleiner Junge dort glücklich war. Immerhin war er hier nicht „anders“ als die Mitschüler und Stinkstiefel unter sich sollten sich doch gut verstehen. Das Besondere an dieser Schule waren die Lehrer: Sie wussten um die Besonderheiten der kleinen Stinkstiefel, Gummibälle und Sanduhren. Aber machte das den kleinen Jungen glücklich? Nein. So kam es das die Königin anordnete dass sich das Glücksministerium für Kinder um den kleinen Jungen kümmern sollte. Dieses entsandt einen Glückshelfer zum kleinen Jungen damit er endlich glücklich werden konnte. Leider war der kleine Stinkstiefel so besonders das nicht nur einer dieser Glückshelfer sondern eine ganze Hand voll ganz unglücklich wurden und wieder zurück ins Glücksministerium mussten. Die Königin startet einen letzten Versuch und schickte den besten Glückshelfer den sie hatte zum kleinen Stinkstiefel. Auch dieser war anfänglich unglücklich. Aber nicht weil der kleine Junge ihn ärgerte sondern weil er ihn verstehen wollte. Eines war dem Glückshelfer nämlich klar: Er musste den kleinen Jungen verstehen um ihn glücklich zu machen. So kam es das der Glückshelfer einen anderen, schon erwachsenen und mittlerweile glücklichen Stinkstiefel fragte. Dieser konnte sprechen und erklärte dem Glückshelfer voller Freude was in den kleinen Stinkstiefeln so vor sich geht. Und, das war das wichtigste, wie der kleine Junge kommunizierte und auf was der Glückshelfer achten soll. Der Glückshelfer strengte sich an und versuchte alles was er konnte. Schließlich war der kleine Junge ihm ans Herz gewachsen und wenn ein Glückshelfer dem Jungen helfen konnte dann war er es. Es dauerte nicht lange da bemerkte der Glückshelfer, dass Glück in das Leben des kleinen Jungen kam. Er lächelte, wiegte sich sanft zu Musik in einer Hängematte und konnte schon bald auch einiges ohne den Glückshelfer erledigen. Der kleine Junge blühte auf und aus dem Stinkstiefel würde ein kleines Stinkschühchen. So sehr sich der Glückshelfer auch bemühte, es gab immer wieder mal Situationen in denen keiner den kleinen Jungen verstand. Dieser versuchte mit allen Mitteln zu kommunizieren was er möchte und was ihn bedrückt, aber niemand verstand ihn. Und so kam es dazu, dass der kleine Junge mit einem Schlag unglücklich wurde weil niemand verstand was ihm wichtig war. Und er wurde zornig, aber nicht auf die Menschen um ihn herum, nein der kleine Junge war wütend auf sich selbst. Wütend darüber das er es nicht schaffte sich verständlich zu machen. Und so stieg in einem kurzen Moment die Wut so in ihm empor, dass er nur noch flüchten wollte. Er rannte los, und jeder der ihn aufhalten wollte wurde zur Seite gestoßen. Man versuchte ihn festzuhalten damit man ihn verstehen konnte. Aber das war dem kleinen Jungen zu viel. Er schlug um sich, er wollte sich befreien. Er wollte einfach nur weg von dem Ort wo ihn keiner verstand. Und überhaupt: Durfte man in Glückland nicht auch einmal unglücklich sein? Und was ist Glück wenn Unglück nicht existiert? Ach überhaupt, der kleine Junge wollte doch einfach nur so sein wie er ist.

So kam es wie es kommen musste, das Glücksministerium für Kinder erfuhr das der kleine Stinkstiefel an seiner Schule nicht glücklich ist und sogar anderen Kindern weh getan und sie damit unglücklich gemacht hat. Was sollte man tun? Das Glücksministerium überlegte lange und nahm den kleinen Jungen von der Schule. Er sollte endlich glücklich werden. So brachte man Stinkstiefel in ein Haus für Kinder die, wie er, ganz „besonders anders“ waren. Hier lebten Glücksbringer des Glücksministeriums zusammen mit Kindern wie dem kleinen Stinkstiefel. Die Glücksbringer kümmerten sich um den Stinkstiefel und versuchten ihm all das beizubringen was für die Kinder in Glücksland normal ist. Denn auch wenn der kleine Junge „anders“ war so sollte er doch das normale Leben in Glücksland leben können. Ob der kleine Junge wirklich glücklich war kann uns keiner sagen. Seine Welt beschränkte sich auf das Haus für besondere Kinder und ein paar wenige Ausflüge ins Glücksland. Die Glücksbringer taten was sie konnten, aber der kleine Stinkstiefel durfte einfach nicht er selbst sein. Und so kommt es wie es kommen musste: Auch hier wurde der kleine Junge wieder wütend auf sich selbst. Er fühlte sich unverstanden und er selbst verstand nicht warum er nicht so sein durfte wie er war. Er sollte Dinge tun die man in Glücksland eben macht ihm aber nicht logisch erschienen. Glücksland war für ihn längst zu einem Rätsel geworden. Irgendwann wurde es auch den Glücksbringer zu viel sich um den Stinkstiefel zu kümmern. In ihren Augen machte er Ärger, störte die anderen Kinder im Haus für die „besonders anderen“. Wieder schickte man eine Meldung an das Glücksministerium. Und das wusste auch keinen Rat mehr und wandte sich direkt an die Königin von Glücksland. Diese wurde böse. Wie konnte ein kleiner Junge in Glücksland nicht glücklich sein? Er hatte doch alles was ein Kind brauchte. Die Königin hatte keine Wahl: der kleine Stinkstiefel musste nun in ein Haus für „außergewöhnlich andere“ Einwohner Glücklands.  Ein Haus voller Glücksoldaten in weißen Anzügen die ständig darauf aufpassten dass auch alle Bewohner des Hauses glücklich sind. Hier konnte man gar nicht unglücklich sein bei so viel Anstrengung alle glücklich zu machen. Leider wohnten in dem Haus nicht nur kleine Stinkstiefel sondern viele andere unglückliche Menschen von Glückland auch. Und alle waren aus einem anderen Grund unglücklich. Das führte dazu, dass die Glücksoldaten sich nicht mehr darum kümmerten warum der kleine Junge unglücklich war. Es zählte nur das er unglücklich war und das galt es zu ändern. Im Haus für die „außergewöhnlich anderen“ hatte man da bunte Süßigkeiten und auch den einen oder anderen Zaubertrank der Menschen glücklich machte. Und so wurde unser kleiner Stinkstiefel glücklich. Nur in seltenen und sehr kurzen Momenten war er traurig. Immer dann wenn die Glücksoldaten mit dem Zaubertrank ein wenig zu spät kamen. In diesen Momenten kam dem mittlerweile erwachsenen Stinkstiefel die Erinnerung an schöne Töne die in ihm erklangen, das Lachen mit seinem Glückshelfer und die Raupe im Baum die ansonsten niemand gesehen hat. Er vermisste diese Glücksmomente in seiner neuen Welt die nur aus dem Haus der „außergewöhnlich anderen“ und den Glücksoldaten bestand. Sobald aber der Zaubertrank wirkte waren diese Bilder wieder verschwunden und Stinkstiefel war glücklich wie es eben alle Bürger in Glücksland sein sollen.

Der Glückshelfer hatte nach dem Weggang vom kleinen Jungen, nie die Hoffnung aufgegeben und lange nach einer Lösung für den Stinkstiefel gesucht. Und irgendwann, es waren schon Jahre vergangen und die Haare bekamen einen grauen Farbton, da fand der Glückshelfer in einem ganz alten Buch ein Rezept. Es war das Rezept für das Elixier des Glücks das man zu Anbeginn des Glückslandes noch trank und sich daran erfreute. Mit zitternden Händen hob der Glückshelfer das Buch in das Licht der Kerze und las mit feuchten Augen:

„Nehmt jeden Tag ganz viel Liebe, einen gewaltigen Löffel Verständnis, einen Hauch Achtsamkeit und eine große Portion Geduld. Und dann werdet ihr sehen, dass jeder Einwohner in Glücksland glücklich werden kann. Egal ob er anders ist oder nicht.“

Dabei dachte der alte Glückshelfer an den kleinen Stinkstiefel und fragte sich ob der kleine Junge von damals dort wirklich glücklich war wo er den Rest seines Lebens lebte. Im Haus für „außergewöhnliche andere“.