Ich habe mir heute früh den neusten Podcast von Psychotalk angehört. Er dreht sich, im ersten Teil, um das Thema Autismus. Ich fand es spannend zu hören was drei Psychologen zum Thema zu sagen haben. Da es sich hier um meine ganz persönliche Meinung zu dem Podcast handelt und ich ja durchaus etwas missverstanden haben kann soll sich bitte auch jeder Leser ein eigenes Bild darüber machen: Zum Podcast

Vorab möchte ich sagen: Die Ausführungen von Alexander Hoaxmaster haben den Podcast durchweg gerettet. Zumindest hat er einige Dinge in Frage gestellt und hinterfragt.
Aber eines nach dem anderen. Das erste was mir durchweg augefallen ist: Das Thema wurde recht handwerklich behandelt. Diagnosekriterien, Symptome und Co. Was mir klar gefehlt hat war der Blick dahinter. Warum es so ist wie es ist. Und damit meine ich nicht die medizinischen Gründe die ja durchaus beleuchtet wurden.
Das erste Mal sauer wurde ich bei der Aussage von Sebastian Bartoschek irgendwann rund um Minute 7. Er wirft ein, dass für die Diagnose Autismus eine Intelligenzminderung vorliegen muss. Danke. Ich war wirklich erstaunt, dass ein Psychologe diesem Vorurteil wirklich glaubt. Auch wenn es hinterher relativiert wurde (nach Erwähnung aller Diagnosekriterien), bleibt durch diesen Einwand eines hängen: Autisten sind geistig eingeschränkt.
Weiter ging es kurz danach rund um Minute 16. Asperger bzw. Autismus ist eine Modediagnose weil es öfter diagnostiziert wurde es als faktisch vorlag. Meint: Wenn bisher nur 3 von 10.000 Kindern die Diagnose hatten und auf einmal wesentlich mehr damit diagnostiziert werden ist es eine Modediagnose. So ein Unsinn! Was hier schlichtweg nicht beachtet wurde: Es gibt zum einen bessere Diagnosemöglichkeiten und mehr Kenntnis über Autismus, zum anderen gibt es eigentlich schon fast zwei Generationen die bisher durchs Raster gefallen sind aber aufgrund ihres Leidensdruckes nun eine Abklärung anstreben. Dass Sebastian Bartoschek dann noch anmerkt das es vielleicht keine falschen Diagnosen sind, aber Diagnosen die er anders gestellt hätte macht das Ganze nicht besser. Passt aber auch irgendwie nicht zu seiner Aussage: Ich traue mich, als Diagnostiker, an Autismus nicht so wirklich heran.
Einen ganz großen Kritikpunkt den ich an dem Podcast anbringen möchte ist nachfolgender:
Es wurde ständig, später sogar klar als gesonderter Teil, zwischen frühkindlichem Autismus und dem Asperger Syndrom getrennt. Und das durchweg in dem Tenor: Frühkindlich => angeboren und schwer, Asperger => naja kommt später und ist schon an der Grenze zur Schüchternheit und Zurückgezogenheit.
Was in meinen Augen hier klar verkannt wird: Beides ist Autismus. Und beides hat, im Kern, Gemeinsamkeiten. Beides ist angeboren und eben die veränderte Wahrnehmung ist vom Prinzip her die gleiche. Einzig die Ausprägung macht den Unterschied. Um nicht zu sagen: Der einzige diagnostische Unterschied ist die Sprachentwicklung. Und bloß weil sich jemand in der Außenwirkung schon vorzeitig gewählt ausdrückt und der verbalen Kommunikation mächtig ist, heißt das im Umkehrschluss ja nicht dass die Innenwirkung von Autismus hier leichter oder anders ist. Damit sind wir auch wieder beim Blick hinter die Kulissen der mir gefehlt hat: Die Innensicht wurde komplett ignoriert, der gesamte Teil über Autismus bezog sich ausschließlich auf die Außenwirkung und die Außensicht. Ich finde hier wurde viel Potential vergeben.
Im weiteren Verlauf des Podcasts machte mich folgendes sehr traurig: Es wurde ständig von Störung gesprochen. Ja wir Autisten haben eine Entwicklungsstörung. Streng genommen sogar eine organische. Aber sind wir deshalb gestört? Normalerweise bin ich bei solchen Ausrutschern (Störung, Krankheit und Co) nicht so streng. Aber hier in diesem Podcast zog sich das lange Zeit wie ein roter Faden durch. Oder um mal ordentlich zu fluchen: Bloß weil mein Gehirn sich anders entwickelt hat und in Teilaspekten anders Funktioniert (Wahrnehmung), bin weder ich noch ist mein Verhalten gestört.
Dankbar bin ich dem Podcast übrigens über seine Differenzierung beim Thema Impfen und Autismus, das MMS und Festhaltetherapie Folter sind und auch das Rain Man nicht der Vorzeige und Musterautist ist und war.
Störend fand ich wie gesagt die ständige Trennung zwischen Kanner- und Aspergerautismus. Noch störender war für mich folgendes:
Direkt nach dem „Themenwechsel“ von Autismus zu Asperger kam ein Aspekt zur Sprache: Das Eltern gerne die Verantwortung abgeben wenn eine Diagnose vorliegt. Oder anders ausgedrückt: So manche Autismusdiagnose könnte auch einfach nur ein Problem in der Sozialisierung und Erziehung sein. Hier hauen gleich zwei Keulen auf Angehörige und Autisten ein: Zum einen das gestellte Diagnosen immer wieder angezweifelt werden. Du/Ihr Kind kann doch gar kein Autist sein! Zum anderen der Punkt: Ach Autismus ist eine Modediagnose, das wächst sich aus. Was Eltern sicher auch oft zu hören bekommen: Autismus? Erziehen Sie ihr Kind einfach mal richtig!
Sowas macht mich wütend. Zeigt es doch eines ganz klar: Es mag schwarze Schafe geben die eine Diagnose suchen. Aus welchem Grund auch immer. Aber die dürfen es den wirklich Betroffenen nicht noch schwerer machen zur Diagnose zu stehen. Es entsteht ein Bild das, gerade Aspergerautismus, eher freakig und eigentlich total normal ist. Um nicht zu sagen: Eine passende Ausrede für was auch immer. Dazu kommt, und da hat der Podcast mit seiner Trennung leider den Autisten auch keinen Gefallen getan, das immer mehr zwischen Kanner und Asperger getrennt und unterschieden wird. Und das auf einer Ebene die weh tut. Denn alleine schon durch die Einteilung in schwer und leicht wird der tatsächliche Leidensdruck und die im Alltag vorhanden und empfundenen Einschränkungen durch den Autismus heruntergespielt.
Kurzum: Der Podcast hat einiges richtig gemacht, danke dafür. Er hat aber auch durch seine Trennung von Kanner- und Aspergerautismus und die Modediagnosediskussion inkl. der Einteilung in schwer und leicht vieles falsch gemacht. Das dargestellte Handwerkszeug ist die Pflicht, das einbeziehen der Innensicht und das herausarbeiten des Kerns von Autismus wäre die Kür dazu gewesen. Eine Kür die leider bei Fachleuten noch viel zu sehr vernachlässigt wird oder gar fehlt.
Das ist, wie schon anfangs erwähnt, meine Sicht der Dinge. Ich bin Autist, es kann sein das ich einiges falsch verstanden habe. Es kann aber auch sein, dass einiges im Podcast eben nur gut gemeint war.
Ich bin gespannt wie die Leser meines Blogs den Podcast empfinden und was sie dazu sagen.