Heute ist so ein Tag an dem mir eigentlich nur zum heulen zumute ist. Mir geht es im Moment sowieso nicht so gut und dann finde ich auf Twitter noch zwei Zeitungsartikel zum Thema Autismus.

Der eine berichtet über das Offenbacher Klinikum.  Schon der Titel, es ist ein Zitat, lies mich aufhorchen:

„Offenbachs Politiker müssen Autisten sein“

Zuerst dachte ich: Schon wieder so ein Fall von politischer Diskreditierung. Schau man jedoch genauer hin findet man folgende Stelle im Artikel:

„Die Offenbacher Politiker müssen Autisten sein. Das kann ich nicht fassen. Wäre ein solcher Oberbürgermeister fähig, die Stadt zu führen? Nein, definitiv kann er das nicht.“

Als Autisten machen mich diese Aussagen sehr betroffen. Warum?

Zum einen wird Autismus, und das sind wir ja mittlerweile gewohnt, als Stilmittel verwendet. Und zwar um andere Menschen fehlende Weitsicht bzw. extreme Ich-Bezogenheit zu attestieren. Autismus wird also auf ein vermeintliches Merkmal reduziert. Und das, hier kommt der für mich persönliche schlimme Teil der Sache, in einer negativen Intention. „XYZ ist Autist!“  ist eben nun mal weitestgehend sicher nicht als Kompliment gemeint.

Der Urheber obigen Zitates geht aber noch weiter. Er spricht dem Oberbürgermeister der Stadt ab fähig zu sein die Stadt zu führen. Und warum? Eben genau aufgrund des ihm vorgeworfenen autistischen Verhaltens! Dahinter steckt die Annahme das Autisten nicht fähig sind einen verantwortungsvollen Beruf eloquent und adäquat auszuüben. Als Politiker gar sind Autisten anscheinend von vorneherein ungeeignet.

Ist es da ein Wunder, dass die Gesellschaft von autistischen Menschen nicht viel erwartet? Und das viele Autisten die etwas erreicht haben Angst davor haben das bekannt wird das sie eben Autisten sind?

Ein Zustand und eine Entwicklung die ich persönlich nicht gut heißen kann! Man sollte jeden Menschen an dem messen was er zu leisten vermag und keiner sollte sich aufgrund einer Behinderung verstellen müssen. Es ist nichts Schlimmes behindert zu sein! Aber behindert zu werden ist eine Katastrophe!

Der andere, eigentlich ein sehr positiver, Artikel berichtet über eine Initiative die 16 autistischen Menschen ein Zuhause geben möchte. Ein Haus in dem sie zusammen leben und alt werden können. Also eine Alternative zum Heim. Soweit so gut. Wenn der Artikel nicht mit etwas anfangen würde was mich schlichtweg wortlos macht:

Ein Mediziner, also jemand der zumindest oberflächig wissen müsste was Autismus bedeutet, hat Angst das sein Haus und Grundstück einen Wertverlust erleiden weil 16 Autisten in ein Haus in der Nachbarschaft ziehen.

Was ist an Autisten wertmindernd? Warum sind autistische Menschen eine gefühlte Bedrohung für andere? Sind Autisten gar minderwertig für gewisse Wohngegenden?

Ich weiß dass sowas überspitzte und vielleicht auch böswillige Fragen sind. Aber ich denke man muss sie stellen angesichts solcher Reaktionen von einem Arzt.

Haben Mitmenschen wirklich Angst vor Autismus und Autisten? Autismus ist nicht ansteckend und mit ihrer eher schüchternen Art sollten Autisten auch keine Belästigung für ihr Umfeld sein.  Wenn ich in mein persönliches Wohnumfeld schaue: Ich bin als Autist eher unauffällig, zurückgezogen und überhaupt wenig in meiner Nachbarschaft unterwegs. Ich lebe eben mein Leben, meine Nachbarn ihres.  Wenn man sich sieht grüßt man sich und ab und zu kann ich sogar ein wenig plaudern. Fällt mir nicht leicht, aber so bin ich wenigstens nicht ganz unsichtbar. Die Wohngegend hier ist eher ruhig und von Doppelhäusern geprägt. Beschwert hat sich noch keiner das ich den Wert der Gegend mindere. Weggezogen ist hier auch noch keiner, das hier ist eher eine sehr zusammengewachsene Nachbarschaft. Für mich gibt es keinen Grund warum jemand eine reale Angst vor Autisten hat.

Aber warum fühlen sich dann manche im Wert gemindert oder gar bedroht? Ich kann mir das nur mit Vorurteilen über Autismus und einer sehr ausgeprägten Kontaktangst erklären. Zum einen geistert wohl in vielen Köpfen noch die Assoziation von Autismus mit einer „Geisteskrankheit“ herum. Und genau diese Menschen wollen natürlich auch keine „Verrückten“ in ihrer Wohngegend haben.

Zum anderen ist es sicher die Angst mit behinderten Menschen in Kontakt zu treten. Die Angst etwas falsch zu machen, die Angst vor dem Unbekannten und sicher auch die Angst gar nicht einschätzen zu können was mit dem gegenüber eigentlich los ist.

Wenn man dann noch in Betracht zieht, dass Autismus immer noch als diskreditierendes Mittel im Sprachgebrauch gebildeter Menschen auftaucht ist eines klar:

Nur Aufklärung und intensive Kommunikation kann dazu beitragen an der ganzen Situation etwas zu ändern. Und wenn die Gesellschaft nicht auf uns zugeht müssen wohl wir den ersten Schritt machen und die Kommunikation mit der Gesellschaft suchen. Ein harter und steiniger Weg, aber wenn sich keiner traut ihn zu gehen werden wir wohl noch sehr sehr lange als abschätzige „Betitelung“ und potentielle Bedrohung herhalten müssen.

Mich macht das traurig und im Moment auch hilflos!