Anmerkung zu diesem Artikel:

Nachfolgender Text ist im März 2011 entstanden und beschreibt meine damalige Situation und Gefühle. Wie es heute aussieht beschreibe ich dann ganz aktuell im Blogpost am nächsten Sonntag!

Heute ist wieder so ein Tag an dem ich mich wirklich in „meiner Welt“ gefangen fühle. Nicht etwa weil ich Autist bin und es liebe in meiner Welt zu leben, nein! Dann würde ich mich ja wohl und nicht gefangen fühlen. Ich bin in meiner Welt eingesperrt weil ich in einer Anonymität leben muss in der ich eigentlich nicht leben möchte. Wenn man jedoch bedenkt welche Nachteile es hat wenn bei Google mein Name mit Autismus in Verbindung gebracht werden kann lässt der Wunsch nach Offen- und Freiheit extrem schnell nach!

Das Ganze muss ja nicht immer sofort in einem sozialen Selbstmord enden, nein….die Überlegung den Autismus zu verheimlichen fängt im viel kleineren an!

Als jemand der erst mit Mitte 30 seine Diagnose bekommen hat, hat man es unter Umständen aber auch schwerer als jemand bei dem seit Kindesalter die Diagnose bekannt ist und die Eltern einem einige Entscheidungen über „Outing oder nicht“ abnehmen.

Eigentlich fängt es schon vor der Diagnose an: Man hat einen Verdacht, man weiß „irgendwas ist nicht normal“. Nur wem vertraut man sich an? In Zeiten wo geistige Behinderungen (zu denen Autismus nicht zählt!) und psychische Krankheiten ein Tabu und vor allem eine Schwäche sind, wie soll man da über Autismus reden? Wem vertraut man sich an? Mit wem redet man darüber? Geht man die Gefahr ein für einen Spinner gehalten zu werden? Gerade wenn man schon so lange durch die Welt gerannt ist ohne das Label Autist zu tragen wird es schwer so etwas anderen zu vermitteln. Man ist doch bisher „normal“ gewesen!

Die Zeit unmittelbar vor der Diagnose überspringe ich hier einmal. Aber glaubt bitte nicht, dass es einfach ist bei einem Arzt um eine Überweisung in eine auf Autismus spezialisierte psychiatrische Ambulanz zu bitten um den Verdacht auf Asperger/Autismus abzuklären!

Irgendwann hat man die Diagnose, und dann? Eigentlich sollte man froh sein das man endlich einen Namen für das hat was einen so lange gequält hat. Dummerweise hört die Quälerei nicht mit der Diagnose auf, da ändert auch ein Name nichts. Leider!

Was macht man nun? Viele spätdiagnostizierte Autisten überlegen ja sogar ob sie sich ihrer Familie anvertrauen können. Da kann man sich vorstellen das es beim Freundeskreis, und der ist bei Autisten ja zumeist recht überschaubar, noch schwerer fällt. Ich habe mich einigen anvertraut, einen Vorteil hat es: Man weiß hinterher was und vor allem wer echte Freunde sind!

Aber im privaten Bereich fängt das Dilemma nur an, bedrohlich wird es in der Arbeitswelt. Will man wirklich das Risiko eingehen einem zukünftigen Arbeitgeber etwas von seinem Autismus zu erzählen? Macht man es sinken die Chancen auf den Arbeitsplatz erheblich. Welcher Personalsachbearbeiter kann schon etwas mit Autismus anfangen? Ist ja eigentlich auch nicht notwendig, Autisten können sowieso nicht arbeiten (Raymond aus Rain Man lässt grüßen!)! Was ich damit sagen will: Man rennt, wenn man offen zu seinem Autismus steht und ehrlich ist, gegen dicke Wände erbaut aus Stereotypen und Vorurteilen. Verschweigt man seinen Autismus kommt man zwangsläufig an den Punkt bei dem entweder der Arbeitgeber unzufrieden wird weil er mehr „Normalität“ erwartet, Kollegen einen komisch anschauen und im schlimmsten Falle mobben, oder man selbst zusammenbricht weil man nicht die Bedingungen hat die man eigentlich bräuchte. Kurzum: In vielen Fällen dumm gelaufen!

Wenn man dann noch im Gesundheitssystem, das einem ja eigentlich helfen und einen unterstützen soll, seinen Autismus verschweigen oder wenn das nicht geht wenigstens runter spielen muss kommt man an einen verzweifelten Punkt. Zumindest mir wurde klar:  Als Autist habe ich keine wirklich faire Chance in dieser Welt. Was bleibt? Maske aufsetzen, das Spiel mitspielen und innerlich daran kaputt gehen.

Nun bin ich jemand der mit Ungerechtigkeiten schwer leben kann. Mein Herz blutet bei der Vorstellung dass man dringend über Autismus, insbesondere auch die „leichteren“ Formen, aufklären müsste. Der Kampf um Anerkennung den z.B. Rollstuhlfahrer und Blinde bisher gefochten – aber noch lange nicht gewonnen – haben müssen Autisten noch ausfechten. Wir haben noch jahrzehntelange Arbeit vor uns! Nur wie soll man diesen Kampf aufnehmen wenn man mit einem Outing als Autist sich sehr wahrscheinlich das Leben unsagbar schwer macht?

Ich würde so gerne herausschreien „Mein Name ist xxx, ich bin Autist! Akzeptiert mich wie ich bin!“. Und wie ich mich kenne: Es wird passieren und wahrscheinlich dauert es nicht mal mehr lange bis dahin! Mit einem großen Knall und wahrscheinlich mit verdammt vielen entsetzten Blicken anderer. Ich kann nur hoffen, dass dies nicht mein Leben und meine Zukunft komplett zerstört! Einen Hoffnungsschimmer habe ich: Es gibt auch Menschen wie meinen Professor der meine Masterarbeit betreut. Ich habe mich ihm anvertraut. Und was soll ich sagen? Er hat Verständnis, aber behandelt mich trotzdem ganz selbstverständlich und normal! Wäre es doch nur bei jedem Menschen so!

Bis dahin bleibt mir wohl nur ein Leben gefangen in der Welt der Anonymität. Vergleichbar mit einem Terroristen oder Verbrecher! Mit dem Unterschied: Wir sind doch einfach nur so wie wir sind, lasst uns doch so sein!